Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen
wolle. Sie sagte zu und meinte dann noch, sie würde schon mal die Freudenglocken läuten. Das klang unglaublich gut in meinen Ohren. Die beste Arznei, die ich mir vorstellen konnte – gegen alle meine Beschwerden gleichzeitig. Ich hatte den Klang ihrer Stimme auf dem ganzen Heimweg nach Washington im Kopf.
Damon, Jannie und ich verbrachten einen hektischen Vormittag mit der Vorbereitung des Festessens, kauften im Citronella und im Giant ein.
Ich hatte Pierce/Mr. Smith fast aus meinem Kopf verdrängt, aber ich hatte beim Einkaufen trotzdem meine Glock in einem Halfter um den Knöchel geschnallt. Im Giant flitzte Damon voraus, um Cola und Tortillachips zu holen. So hatten Jannie und ich Gelegenheit zum Reden. Ich wußte, daß sie auf einen Schwatz brannte, ich spüre das. Diesmal konnte ich es kaum erwarten zu hören, was sie auf dem Herzen hatte.
Jannie war dafür zuständig, den Einkaufswagen zu schieben. Der Metallgriff des Wagens befand sich etwa auf ihrer Augenhöhe. Sie betrachtete konzentriert die ungeheure Vielfalt von Frühstücksflocken, sah sich nach den günstigsten Angeboten um. Nana Mama hatte sie in der hohen Kunst des Einkaufens unterrichtet, und sie kann bereits das meiste im Kopf ausrechnen und vergleichen.
»Sprich mit mir«, eröffnete ich das Match. »Meine Zeit gehört dir, Daddy ist zu Hause.«
»Ja, heute mal.«
Sie ließ den Ball direkt an meinem Ohr vorbeisausen, stieß mich mit einem hohen, harten Wurf von der Ausgangsbase zurück.
»Es ist nicht einfach, grün zu sein«, sagte ich.
Es war ein alter Lieblingsspruch von uns, den wir dem Frosch Kermit zu verdanken hatten. Heute tat sie ihn achselzuckend ab, es gab keinerlei Entgegenkommen. Sie wollte es mir nicht leichtmachen.
»Du und Damon – seid ihr böse auf mich?« fragte ich, so sanft ich konnte. »Sag mir die Wahrheit, meine Kleine.«
Sie wurde ein bißchen zugänglicher.
»Oh, eigentlich nicht, Daddy. Du tust ja dein Bestes«, sagte sie und schaute endlich in meine Richtung. »Du gibst dir Mühe. Es ist bloß so schwer, wenn du nicht zu Hause bist, dann vermisse ich dich. Es ist nicht schön, wenn du weg bist.«
Ich schüttelte den Kopf, lächelte und wunderte mich darüber, was alles in ihrem Kopf herumging.
»Findest du meinen Plan für heute abend okay?« fragte ich vorsichtig.
»Oh, absolut.« Plötzlich strahlte sie. »Das ist überhaupt kein Problem. Ich finde es toll, wenn wir zum Abendessen Besuch bekommen.«
»Und Damon? Was sagt er dazu, daß Christine heute abend kommt?« fragte ich meine engste Vertraute.
»Er hat ein bißchen Angst, weil sie die Rektorin unserer Schule ist. Aber er ist auch cool. Du kennst ja Damon, ein echter Mann.«
Ich nickte.
»Er ist wirklich cool.«
»Mußt du ihn noch weiter verfolgen, diesen scheußlichen Mr. Smith?« fragte Jannie mich schließlich. »Ja, ich glaube, du mußt es«, beantwortete sie die Frage selbst.
Ich wiederholte ihren Satz von vorhin.
»Ich tue mein Bestes.«
Jannie stellte sich auf die Zehenspitzen. Ich beugte mich zu ihr hinunter, und sie küßte mich auf die Wange, gab mir einen dicken Schmatz, wie sie ihre Küsse nannte.
»Du bist mein Honigkuchenpferd«, sagte sie.
Es war ein Lieblingsausdruck von Nana, den sie übernommen hatte.
»Buh!« Damon schaute um die Ecke des Ganges. Sein Kopf war von einer Menge roter, weißer und blauer Pepsiflaschen und Coladosen umrahmt. Ich zog Damon an mich und küßte auch ihn auf die Wange, küßte ihn auf den Kopf, hielt ihn so in den Armen, wie ich mir vor langer Zeit gewünscht hatte, von meinem Vater umarmt zu werden. Wir boten ein tolles Schauspiel in dem Gang des Supermarkts. Ein wirklich gigantisches Schauspiel.
Ich liebte die beiden, und das war der Grund für ein ständiges Dilemma. Die Glock an meinem Knöchel wog eine Tonne und fühlte sich so heiß an wie Feuer. In diesem Moment wollte ich sie am liebsten abschnallen und nie wieder tragen. Ich wußte jedoch, daß ich es nicht tun würde. Thomas Pierce war immer noch irgendwo dort draußen und Mr. Smith und einige andere auch. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, es sei meine Aufgabe, sie alle zu verscheuchen, die Welt etwas sicherer zu machen.
»Erde an Daddy«, sagte Jannie. Sie runzelte leicht die Stirn. »Siehst du? Du warst in Gedanken schon wieder weit weg. Du warst bei Mr. Smith, nicht wahr?«
118.
Christine kann dich retten. Falls es irgend jemand kann, falls es überhaupt möglich ist, daß du an diesem Punkt deines Lebens gerettet
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