Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen
hatte.
»Haben Sie beide sich manchmal unterhalten? War Soneji ein Freund von Ihnen?« fragte ich ihn.
Autry schüttelte den Kopf. Seine Miene blieb unverändert. Seine Schweinsaugen ließen meinen Blick nicht los.
»Nee, Mann. Er hat bloß geredet, wenn er was gebraucht hat. Soneji hat lieber in seiner Zelle gehockt und in die Ferne geglotzt, fast wie zum Mars. Soneji hat hier drin keine Freunde gehabt. Mich nicht und auch sonst niemand.«
Autry rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. Er hatte mir etwas zu sagen, und er glaubte offensichtlich, es sein eine Menge wert. Dann senkte er die Stimme, als sei noch jemand im Raum.
Jemand wie Gary Soneji, mußte ich wider Willen denken.
36.
Sehen Sie, Soneji hat hier drin keine Freunde gehabt. Er hat niemanden gebraucht. Der Mann hatte ‘nen Besucher im Oberstübchen. Wissen Sie, was ich meine? Er hat nur mit mir gesprochen, wenn er was gewollt hat.«
»Was haben Sie für Soneji getan?« fragte ich.
»Soneji hat einfache Sachen gebraucht. Zigarren, Wichsbücher, Futter für seinen Vogel im Hirn. Er hat bezahlt, damit ihm gewisse Typen vom Leib bleiben. Soneji hat immer Geld gehabt.«
Ich dachte darüber nach. Wer hatte Gary Soneji Geld gegeben, während er in Lorton war? Es konnte nicht von seiner Frau stammen, jedenfalls glaubte ich das nicht. Sein Großvater lebte noch in New Jersey. Vielleicht stammte das Geld von ihm. Er hatte nur einen Freund gehabt, über den ich Bescheid wußte, aber das war lange her, als Gary noch ein Teenager gewesen war.
Jamal Autry spielte weiterhin das Großmaul.
»Prüfen Sie’s nach, Mann. Der Schutz, den Gary von mir gekauft hat, war gut – der beste. Der beste, den man hier kriegen kann.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen folgen kann«, sagte ich. »Erklären Sie’s mir, Jamal. Ich will alle Einzelheiten wissen.«
»Bestimmte Leute kann man manchmal schützen. Das ist eigentlich schon alles. Es gab einen anderen Häftling hier, er hieß Shareef Thomas. Ein echt verrückter Nigger, der aus New York City stammte. Er steckte mit zwei weiteren verrückten Niggern zusammen – Goofy und Coco Loco. Shareef ist jetzt zwar draußen, aber als er noch drin war, hat er alles gemacht, was er wollte. Shareef konnte man bloß in den Griff kriegen, indem man ihn abknallte. Zweimal, wenn man auf Nummer Sicher gehen wollte.«
Was Autry sagte, wurde langsam interessant. Er hatte eindeutig etwas für einen Deal in der Hand.
»Was gab es für eine Verbindung zwischen Gary Soneji und Shareef?« fragte ich.
»Soneji wollte Shareef abmurksen lassen und hat Geld dafür bezahlt. Aber Shareef war schlau. Shareef hat auch Schwein gehabt.«
»Warum wollte Soneji Shareef Thomas umbringen?«
Autry starrte mich mit kalten Augen an.
»Wir sind im Geschäft, stimmt’s? Ich kriege was dafür?«
»Sie haben meine volle Aufmerksamkeit, Jamal. Ich bin hier, und ich höre Ihnen zu. Sagen Sie mir, was sich zwischen Shareef Thomas und Soneji abgespielt hat.«
»Soneji wollte Shareef umnieten, weil Shareef ihn gefickt hat. Und nicht bloß einmal. Er wollte Gary zeigen, daß er der Chef ist. Er war derjenige hier drin, der noch verrückter war als Soneji.«
Ich schüttelte den Kopf und beugte mich stirnrunzelnd vor. Die Angelegenheit war spannend, aber etwas paßte für mich nicht zusammen.
»Gary war von den anderen Gefängnisinsassen getrennt. Höchste Sicherheitsstufe. Wie zum Teufel ist Thomas an ihn rangekommen?«
»Verdammt noch mal, ich habe Ihnen doch gesagt, hier drin läßt sich alles regeln. Hier läßt sich immer was arrangieren. Lassen Sie sich nichts vormachen von dem, was Sie draußen hören, Mann. So ist es, und so war es schon immer.«
Ich sah Autry in die Augen.
»Sie haben also Sonejis Geld genommen, damit Sie ihn beschützen, und Shareef Thomas ist trotzdem an ihn rangekommen? Da steckt noch mehr dahinter, nicht wahr?«
Ich spürte, daß Autry das Hinauszögern seiner Pointe genoß, vielleicht gefiel ihm aber auch nur, daß er Macht über mich hatte.
»Da ist noch mehr, ja. Shareef hat Gary Soneji mit dem Fieber angesteckt, Soneji hat die Pest, Mann. Er stirbt! Ihr alter Freund Gary Soneji stirbt. Gott hat ihm ‘ne Botschaft geschickt.«
Die Neuigkeit traf mich wie ein Tiefschlag. Ich ließ es mir nicht anmerken und gab keiner Gefühlsregung nach, aber Jamal Autry hatte mit seinen Informationen soeben allem, was Soneji bis jetzt getan hatte, einen gewissen Sinn gegeben. Er hatte mich außerdem tief erschüttert. Soneji
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