Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen
Stadtbus.
57.
Detective Groza kam stolpernd neben mir an. Sein Gesicht war rußverschmiert, sein wehendes schwarzes Haar versengt. Er gestikulierte wild nach einem Auto, winkte mit beiden Armen. Eine Polizeilimousine hielt neben uns, und wir stiegen schnell ein.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?« fragte ich ihn.
»Ich glaube schon. Zumindest bin ich hier. Also schnappen wir ihn!«
Wir folgten dem Bus die First Avenue entlang, schlängelten uns mit heulender Sirene durch den Verkehr. Fast wären wir mit einem Taxi zusammengestoßen, verfehlten es nur um wenige Zentimeter.
»Sind Sie sicher, daß er noch eine Bombe hat?«
Ich nickte.
»Mindestens eine. Erinnern Sie sich an den wahnsinnigen Bombenleger in New York? Soneji hat vermutlich ihn und seine Taten im Kopf. Der wahnsinnige Bombenleger war berühmt.«
Alles war völlig verrückt und surreal. Der Regen wurde stärker, prasselte laut auf das Dach der Limousine.
»Er hat Geiseln«, sprach Groza in das Funkgerät am Armaturenbrett. »Er befindet sich in einem Bus, der die First Avenue entlangfährt. Er scheint noch eine Bombe zu haben. Es handelt sich um einen Bus der Linie M-15. Alle Wagen sollen diesen Bus verfolgen, aber noch nicht eingreifen. Er hat eine gottverdammte Bombe in diesem Bus.«
Ich zählte ein halbes Dutzend blauweiße Streifenwagen, die bereits die Verfolgung aufgenommen hatten. Der Stadtbus hielt zwar an den roten Ampeln, aber nicht mehr an den Haltestellen. Im Regen wartende Menschen winkten wütend nach ihm. Niemand von ihnen begriff, was für ein Glück sie hatten, daß sich die Bustüren nicht für sie öffneten.
»Versuchen Sie, näher heranzukommen«, trug ich dem Fahrer auf. »Ich will mit ihm sprechen, jedenfalls rauskriegen, ob er reden will. Einen Versuch ist es wert.«
Die Polizeilimousine beschleunigte, schlängelte sich über die nasse Straße. Wir kamen näher, schoben uns neben den leuchtendblauen Bus. Ein Plakat warb in großen Buchstaben für das Musical Das Phantom der Oper . An Bord des Busses war ein Phantom aus dem wahren Leben. Gary Soneji stand wieder einmal im Rampenlicht, so, wie er es liebte. Seine Bühne war jetzt New York.
Ich hatte das Seitenfenster heruntergekurbelt. Regen und Wind peitschten mir ins Gesicht, aber ich konnte Soneji in dem Bus erkennen. Herrgott, er improvisierte immer noch, er hielt nun ein Kind im Arm, ein winziges Bündel in Rosa und Blau. Er brüllte Befehle und ließ den freien Arm zornig kreisen.
Ich beugte mich so weit wie möglich aus dem Auto.
»Gary!« schrie ich. »Was wollen Sie?«
Ich rief nochmals, kämpfte gegen den Verkehrslärm und das laute Dröhnen des Busses an.
»Gary! Ich bin’s, Alex Cross!«
Die Fahrgäste im Bus schauten zu mir. Sie waren entsetzt, standen unter Schock.
An der Kreuzung zwischen der Forty-second Street und der First Avenue bog der Bus scharf nach links ab. Ich sah Groza an.
»Ist das die normale Route?«
»Ausgeschlossen«, sagte er. »Er läßt den Bus seine eigene Route fahren.«
»Was ist in der Forty-second Street? Was gibt es da weiter vom? Wo zum Teufel könnte er hinwollen?«
Groza hob verzweifelt die Hände in die Luft.
»Auf der anderen Seite ist der Times Square, wo sich die übelsten Obdachlosen und Versager der ganzen Stadt herumtreiben. Dort ist auch das Theaterviertel, außerdem Port Authority Bus Terminal, der zentrale Busbahnhof. Und dann nähern wir uns gerade der Grand Central Station.«
»Dann will er zur Grand Central«, erklärte ich Groza. »Ich bin mir ganz sicher. Das ist seine Kulisse, ein Bahnhof!«
Wieder ein Keller, ein berühmter, der sich unter mehreren Häuserblocks erstreckte. Der Keller aller Keller.
Gary Soneji war mittlerweile aus dem Bus herausgesprungen und rannte die Forty-second Street entlang. Er lief auf die Grand Central Station zu, hielt dabei das Baby immer noch im Arm, ließ es sorglos schaukeln und zeigte uns dadurch, wie wenig ihm am Leben des Kindes lag.
Sollte er doch zur Hölle fahren! Er war auf der Zielgeraden, aber nur er wußte, was das für alle anderen zu bedeuten hatte.
58.
Ich bahnte mir einen Weg durch die überfüllte Passage, die von der Forty-second Street ausging. Sie führte in die noch belebtere Grand Central Station. Tausende schon jetzt entnervte Pendler trafen in der Innenstadt ein, um dort zu arbeiten. Sie hatten keine Ahnung, was für ein schlimmer Tag ihnen tatsächlich bevorstand.
Die Grand Central ist die New Yorker Endstation für die Züge aus allen Teilen New
Weitere Kostenlose Bücher