Patty Janes Frisörsalon
los?« fragte ihn Patty Jane eines Abends mit Tränen in den Augen.
Thor lag mit dem Rücken zu ihr im Bett. Von der StraÃe fiel zwischen Fensterbrett und heruntergezogener Jalousie ein dünner Lichtstrahl ins Zimmer.
»Nichts«, sagte Thor. »Ich möchte nur ein paar Stunden Schlaf kriegen.«
Patty Jane kuschelte sich an ihn und drückte ihre Wange an die gerippte Baumwolle seines ärmellosen Unterhemds.
»Ich weià was, das dich richtig schön müde macht«, sagte sie und strich mit der Hand seinen harten, glatten Oberschenkel hinauf.
Thor schlug ihre Hand weg, als würde sie ihn verbrennen.
»Kannst du mich nicht mal eine Minute in Ruhe lassen? Kann ich nicht wenigstens mal eine Nacht schlafen, ohne daà du an mir rumhängst.« Er zuckte mit der Schulter. »Herrgott noch mal.«
Patty Jane rutschte auf ihre Seite des Betts, während Thor sein Kopfkissen aufschüttelte, indem er mit der Faust hineinschlug.
»Manchmal möchte auch der Mann ganz gern die Initiative ergreifen, verstehst du.«
»Tut mir leid«, sagte Patty Jane traurig.
»Laà doch wenigstens ab und zu mal mich den Anfang machen.«
»Okay«, flüsterte Patty Jane. Nur machst du nie mehr den Anfang, dachte sie. Es war, als enthielte ihr Bauch etwas Ansteckendes, das Thor sich nicht einfangen wollte.
Unterstützung fand sie in einer anderen Ecke der kleinen Familie. Ione hatte eine Reise nach Norwegen gebucht; zum erstenmal, seit sie Stavanger als junge Frau verlassen hatte, wollte sie die alte Heimat besuchen. Aber sie stornierte die Reise, als sie sah, daà Patty Janes Schwangerschaft Realität war und nicht, wie Thor behauptet hatte, »nur Einbildung«. Ione wollte da sein, um zu kochen und zu putzen und die Frau, die ihr Enkelkind trug, zu verwöhnen. Sie hatte den Eindruck, daà Thor kein Meister im Verwöhnen war; sie bemerkte eine Veränderung an ihrem Sohn, die ihr nicht gefiel und die sie nicht verstand.
Ione dachte an einen Abend zurück, als das frischgebakkene Paar sie zu Kaffee und Kuchen eingeladen hatte. Sie hatte den Zitronenkuchen hoch gelobt, während sie unauffällig Zitronenkerne in ihre Serviette spie.
Nachdem der Tisch abgeräumt war, kam Patty Jane mit einem Tablett, auf dem unter einem Geschirrtuch ein dreiekkiger Gegenstand verborgen war, ins Wohnzimmer zurück. Sie stellte es auf den Couchtisch und lüftete mit schwungvoller Geste das Tuch.
»Ta-ta-ra-ta!«
Ione lächelte erwartungsvoll, obwohl sie nicht verstand, worum es ging. »Ein Vogelhäuschen?«
Patty Jane lachte. »Ja, das dachte ich auch. Als Thor es mit nach Hause gebracht hat, hab ich gesagt: âºOh, du hast ein Vogelhäuschen gebaut, Schatz. Das ist ja süÃ!â¹Â«
Patty Jane drehte das Haus langsam. »Aber schauâs dir mal genau an, Ione. Die Details. Es ist ein Modell für unser erstes Haus â das Haus, das dein Sohn mir bauen möchte.«
Ione sah Thor an, der mit seinem Uhrarmband spielte.
»Er hat gesagt: âºJa, in gewisser Weise kann man von einem Vogelhäuschen sprechenâ¹Â«, erzählte Patty Jane, »âºweil es nämlich unser Liebesnest sein wird.â¹Â«
Thor errötete tief, aber er lachte. »Du meine Güte, Patty Jane.«
»Aber das war doch so lieb von dir, Schatz«, sagte Patty Jane. »Ich wollte deine Mutter daran teilhaben lassen, weil es so verdammt lieb war.« Sie tippte auf das Dach des kleinen Holzhauses. »Unser Liebesnest.«
Bevor Patty Jane dick geworden war, hatte Thor es nicht fertiggebracht, sie nicht anzufassen; entweder hatte er ihr abends beim Essen eine Locke hinter das Ohr geschoben, oder er hatte beim Kartenspielen mit Ione verstohlen ihre Hand gedrückt oder ihr den Arm um die Schultern gelegt, wie am Thanksgiving-Abend, bevor sie aus Iones Haus in den leise fallenden Schnee hinausgelaufen waren.
Einen Monat später sah Ione davon nichts mehr. Am Heiligen Abend, als sie zum erstenmal mit GewiÃheit erkannte, daà Patty Jane wirklich schwanger war, feierten sie zusammen in Iones kleinem Haus in der Nähe des Hiawatha-Sees. Das flackernde Licht der Kerzen in den Wandhaltern spiegelte sich in den Böden, die Ione zweimal eingewachst hatte. Strohengel und gehäkelte Schneeflocken hingen am Weihnachtsbaum, und der Duft von Tannenzweigen mischte sich mit dem Aroma von Glühwein, der in einem blaugesprenkelten Topf auf
Weitere Kostenlose Bücher