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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Landvik
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absolut neue Einfall, auszugehen.
    Â»Ich muß mir mal die Beine vertreten«, erklärte sie Ione und fügte auf deutsch »Auf Wiedersehen« hinzu.
    Sie ging in westlicher Richtung bis zur Minnehaha Avenue und nahm dort einen Bus zur Stadt. Als sie sich setzte, wurde ihr mit staunender Ungläubigkeit bewußt, daß sie seit Avels Tod abends nicht mehr allein außer Haus gegangen war. Das sind mehr als dreizehn Jahre, dachte sie kopfschüttelnd und machte hastig Bestandsaufnahme: hin und wieder Konzertbesuche mit Evelyn Bright; ein Einkaufsbummel mit Ione; gelegentliche Kino- oder Restaurantbesuche mit Patty Jane; und einmal ein Spieleabend bei Bev Beal; das war schon das ganze Ausmaß ihres Nachtlebens.
    Natürlich gab es innerhalb der vier Wände von Patty Janes Flotter Locke Unterhaltung genug, besonders jetzt, da Kurse und Seminare Souterrain und Eßzimmer füllten; Kurse, an denen sich Harriet nicht nur als Lernende, sondern auch als Lehrerin beteiligte. Sie hatte eine kleine Chorgruppe ins Leben gerufen und zu ihrem Erstaunen festgestellt, daß Grimmy Bultram eine angenehme und sichere Sopranstimme besaß. Dank ihrer Musik und der Abwechslung, die die Familie bot, hatte sie nie das Bedürfnis gehabt, irgend etwas allein zu unternehmen.
    Von wegen, dachte Harriet, Angst hast du gehabt, das ist es. Ihr Herz begann schneller zu klopfen, als der Bus an dem Haus vorüberrumpelte, in dem Thor und Patty Jane als frisch gebackenes Ehepaar gewohnt hatten, in das sie selbst später eingezogen war, als sie und Patty Jane Trost gebraucht hatten. Aus Vogstads Bäckerei war jetzt Babs Feine Backwaren geworden. Mr. und Mrs. Vogstad hatten sich aufs Altenteil in Arizona zurückgezogen.
    Harriet biß die Zähne aufeinander und kreuzte, eine Hand auf jeder Schulter, ihre Arme fest vor ihrem Oberkörper, als sie zu der Straßenecke kam, wo vor langer Zeit Avel seinen austerfarbenen Packard an den Bordstein gefahren hatte und ihr, einem zwanzigjährigen Ding mit einem langen braunen Pferdeschwanz, angeboten hatte, sie auf eine Spazierfahrt mitzunehmen. Ja, dachte sie, das ist der Grund, weshalb ich nicht allein außer Haus geh. Weil da draußen alles voller Gespenster ist.
    Ãœber ein Jahr lang war Harriet nach Avels Tod oft mitten in der Nacht zu Patty Jane ins Bett gekrochen, weil Schmerz und Einsamkeit so stark gewesen waren, daß sie sicher gewesen war, sie würden sie erdrücken. Die Zeit hatte geholfen, aber sie wußte, daß sie über Avels Verlust nie hinwegkommen würde. Anders als Patty Jane hatte sie weder das Verlangen noch den Mut, neue Männer kennenzulernen, auch wenn sie spürte, wie ihr Herz unter dem Mangel an Nahrung zu schrumpfen schien. Sie hatte gelernt, ihren Schmerz einzudämmen; sich allein hinauszuwagen und Orte aufzusuchen, die voller Erinnerungen waren, gehörte nicht zu ihrem Programm.
    Ich muß sofort aus diesem Bus raus, dachte Harriet. Die Panik war wie ein lebendiges Wesen, das aus ihrem Inneren hervorbrechen wollte. Atme, befahl sie sich. Sie packte die Klingelschnur so fest, daß sie ihr in die Hand schnitt. Die Bustür öffnete sich mit einem Geräusch, das wie ein gewaltiges Rülpsen klang, und der Fahrer und ein halbes Dutzend Passagiere blickten der mageren Frau nach, die die Stufen hinunterstolperte und auf den Bürgersteig rannte.
    Harriet ging, ohne etwas zu sehen, ihre Handtasche fest an ihre Brust gedrückt. Vorüberfahrende Autos hupten, und ein alter Mann, der seinen Vorgarten goß, fragte, ob sie Hilfe brauche, doch Harriet ignorierte sie alle, einzig konzentriert auf den montonen Refrain: Atme, atme, atme.
    Wie oft bin ich die Minnehaha Avenue hinuntergegangen, dachte sie. Wie oft hatte sie diese Marksteine ihres Lebens gesehen – da ist der Waschsalon mit den Maschinen, die man mit Vierteldollarmünzen füttern muß, und der Haushaltswarenladen, wo man bei jedem Einkauf einen Lutscher geschenkt bekommt, und da das Haus des Jungen, der in der siebten Klasse von einer Biene gestochen wurde und einen so dicken Arm bekam, daß er in nichts mehr hineinpaßte – all diese Orte haben doch überhaupt nichts Beängstigendes.
    Aber auch als sie an Del’s vorüberkam, dem Lebensmittelgeschäft, bei dem sie früher ihre Zigaretten gekauft hatte, tobte die Panik weiter. Sie sah, daß aus Dugans, einem Spezialgeschäft für Türen und Fenster, jetzt

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