Patty Janes Frisörsalon
spät zur Englischstunde komm, krieg ich von der Hagen eins aufs Dach.«
»Cousine Karla ist eingetroffen«, sagte Nora.
Lori rià die Augen mit den falschen Wimpern auf. »Echt?«
»Cousine Karla« war ihre Codebezeichnung für die Menstruation, auf deren Ankunft beide Mädchen schon eine ganze Weile warteten â Lori ungeduldiger als Nora, denn sie war schon vierzehn, ein halbes Jahr älter als Nora, und hätte es von Rechts wegen verdient, vor ihrer Freundin den ersehnten Status einer Frau zu erlangen.
Nora stemmte ihre grünen Hände in die Hüften. »Ja, glaubst du denn, eine Frau wie ich würde ein Mädchen wie dich anschwindeln?« Sie lief den ganzen Tag mit einer dikken Binde in ihrer Unterhose herum, Teil der Notfallausrüstung, die sie seit sechs Monaten mit sich herumtrug.
Sie und Lori gingen früher aus der Schule, sie schlichen sich während der Schulversammlung einfach aus der Aula hinaus. Auf dem Heimweg, den sie in nachdenklichem Schweigen zurücklegten, machten sie nicht ihren gewohnten Abstecher zu Delâs, um sich Karamelbonbons oder Lakritze zu kaufen. Ihr Abschied an der Ecke, wo ihre Wege sich trennten, war kurz und angespannt.
Zu Hause nahm Nora ein Bad, stocherte lustlos in ihrem Abendessen herum, trocknete wie in Trance das Geschirr und kroch dann mit Betsy und Tacy , einem der Lieblingsbücher ihrer Kindheit, ins Bett.
»Ich hab mir doch gedacht, daà du noch nicht schläfst«, sagte Patty Jane, als sie nach einem kurzen Klopfen, auf das sie keine Reaktion bekommen hatte, ins Zimmer trat.
Nora wollte eigentlich eine sarkastische Bemerkung machen, aber als sie den Mund öffnete, kam nur ein einziges jammervolles Wort heraus: »Mama!«
Und dann: »Ich hab heut meine Periode gekriegt.« Bei dieser Bekanntmachung fing sie an zu weinen.
»Ich weiÃ, Nora. Ich weiÃ.«
Ãrger rià Nora aus ihrer Trauer. Hatte man denn hier überhaupt kein Privatleben?
»Woher weiÃt du es?« fragte sie und wischte sich die Nase mit dem Handballen.
»Ich bin deine Mutter, Herzenskind«, antwortete Patty Jane. »Ich weià alles über dich.«
Nora lieà sich diese Erklärung in ihrer ganzen Tragweite durch den Kopf gehen.
»AuÃerdem«, fügte Patty Jane hinzu, »hab ich die Binde im Mülleimer gesehen. Wir nehmen hier alle Tampons.«
Nora rià ein Kleenex aus der mit Stoff überzogenen Schachtel, die Ione in Paige Larkins Kurs gemacht hatte. Sie war wütend auf sich selbst, daà sie eine unübersehbare Spur hinterlassen hatte.
»Ich will aber noch keine Frau sein«, sagte sie, während sie sich schneuzte.
Patty Jane lächelte. »Das bist du auch nicht, Schatz.«
»Doch, eben schon. Ich könnte schon ein Kind kriegen.«
Patty Jane zog die Revers an Noras Bademantel übereinander, als wollte sie ihr Kind gegen kaltes Winterwetter einpacken.
»Sicher, dein Körper reift, aber das heiÃt noch lange nicht, daà alles andere, was zu dir gehört, Schritt hält.«
»Ich hasse das Wort âºreifâ¹. Unsere Biologielehrerin schmeiÃt dauernd damit rum und spricht es auch noch so komisch aus â âºro-ifâ¹.«
»Ich weiÃ, mir ist es damals genauso gegangen, Nora.« Patty Jane streckte sich auf Noras Bett aus. »Becky Subseth war eine, die wir immer als reif bezeichnet haben â sie hatte schon in der fünften Klasse einen Busen und Haare unter den Armen â, und ich fand das gräÃlich. Ich dachte, wenn das Reife ist, dann verzichte ich gern drauf.« Sie schob ihre Finger in den Rillen der Chenilledecke auf und ab. »Harriet war da ganz anders. Als sie ihre Periode kriegte, war sie überglücklich. Sie hat sich aus rosa Briefpapier einen kleinen Kalender gemacht und vorn drauf geschrieben: âºMeine Mensesâ¹.«
»Menses?«
Patty Jane lächelte. »Genau. Das hat ihr gefallen, weil es so klinisch klang. Sie hat den Kalender geführt, mindestens bis sie siebzehn war, und die Tage immer mit einem von den kleinen Bleistiften eingetragen, mit denen unser Dad sich seine Golfergebnisse aufgeschrieben hat.«
Nora lehnte ihren Kopf an die Schulter ihrer Mutter. »Mama, glaubst du, daà mit Tante Harriet alles wieder gut wird?«
Patty Jane seufzte und starrte zu dem Beatles-Poster über Noras Schreibtisch hinauf, ohne die vier Pilzköpfe wirklich zu
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