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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Landvik
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liegenblieb. Sie hob den Saum ihres Parkas und holte die harten Schneebrocken heraus, die sich unter ihre Kleidung geschoben hatten. Ihre Haut war taub. Sie blickte über den gefrorenen Spiegel des Sees und beschloß zu tun, was sie Nora immer verboten hatte: quer über den See zu gehen.
    Am Rand des Sees hatte die Parkverwaltung ein kleines Rechteck für die Schlittschuhläufer geräumt. Der Mond, der durch das Schneegestöber kaum zu sehen war, spendete ein bleiches Licht, als Patty Jane zum großen Strand und der Hütte ging.
    Sie wußte, daß der See fest zugefroren war, dennoch – sie hatte viele Geschichten von Fischern gehört, die zu Fuß in dem Eis eingebrochen waren, über das sie am Tag zuvor noch mit ihren Wagen hinweggefahren waren. Bei jedem Schritt wirbelten ihre Füße kleine Schneewölkchen auf, und als sie die Mitte des Sees erreichte, blieb sie stehen und drehte sich mit ausgestreckten Armen einmal um sich selbst. Dann sprang sie mit hochgezogenen Knien fast trotzig in die Höhe, sprang noch einmal und noch einmal. Sie erwartete, das Eis krachen zu hören, eine dunkle Linie zu sehen, die sich wie eine dicke schwarze Schlange durch Schnee und Eis wand, und als all das nicht geschah, sprang sie immer wieder in die Höhe, bis sie schließlich völlig erschöpft auf die Knie fiel.
    Â»Warum?«
    Ihre Stimme klang wie ein lauter Schlag durch die Stille, und sie sah sich um, verlegen und verwirrt. Vorsichtig stand sie auf und ging ein paar Schritte auf Zehenspitzen, ehe sie zu laufen begann und schnell und keuchend bis zum Ufer rannte.
    Du bist ja verrückt, dachte sie, du bist ja vollkommen verrückt. Sie kletterte die Holzplattform hinauf zur Hütte und umrundete zweimal den gestreuten Weg, der um das dunkle kleine Haus herumführte. Sie war durchnäßt und fror und fühlte sich zutiefst verlassen, bis ihr zwei Worte in den Kopf kamen: Clyde Chuka. Er kann mir helfen, dachte sie, er hat mir immer geholfen.
    Clyde Chuka hatte ihr oft beschrieben, wo er wohnte: Im ersten Stock eines Hauses, in dem unten eine Metzgerei, eine theologische Buchhandlung und eine kleine Versicherungsagentur waren. Das Haus war in der Park Avenue, in der Nähe des schwedischen Instituts, und Patty Jane wußte, daß sie es problemlos finden würde. Jetzt, da sie ein Ziel hatte, wurde ihr Kopf klar und ihr Schritt energisch. Zwanzig Minuten später stand sie in einer Türnische unter einer Markise und drückte auf die Klingel neben dem Schild mit der Aufschrift »Clyde Chuka«.
    Sein Gesicht zeigte Überraschung und Freude, als er sie durch das kleine ovale Fenster in der Tür sah.
    Â»Patty Jane! Das ist aber schön«, sagte er und zog sie ins Haus. »Du bist ja völlig durchnäßt.«
    Â»Ja, ich hab ein bißchen mit dem Schnee gekämpft.« Sie stampfte mit den Füßen und zog ihren Parka aus.
    Â»Komm rauf, ich mach uns einen Kaffee.«
    Im engen Treppenhaus roch es nach Moder und feuchtem Teppich. Irgendwo war laute mexikanische Musik zu hören, und als Clyde Chuka die Tür aufstieß, sagte Patty Jane »Hoppla«, und wich mit einem Sprung einem fast zwei Meter hohen Geschöpf aus, das aus Drahtbügeln und Fellstücken gemacht war.
    Â»Das ist Bob«, erklärte Clyde Chuka, »mein Schreckgespenst.«
    Patty Jane streichelte über den Pelzrücken. »Woher hast du die Felle?«
    Â»Heilsarmee, Wohlfahrt, Second-Hand-Läden. Sein ganzer Rücken ist aus Fuchsschwänzen.«
    Von dem kleinen Vestibül aus gelangte man in einen großen Raum mit einer Fensterfront auf der Südseite, der von einem Dutzend Skulpturen in unterschiedlichen Stadien der Vollendung, wie Patty Jane schien, bevölkert war.
    Ãœberall lagen Malutensilien und Werkzeuge herum. Ein mit Friedenszeichen bemalter Sägebock, auf dem Zinn- und Plastiksoldaten aufgereiht waren, stand neben einem eingetopften Baum, von dessen Zweigen Glasscherben herabhingen. Vogelgeschöpfe aus Draht und Stoffetzen, die mit Stärke gesteift waren, hockten auf Holzsockeln, als wollten sie gleich zum Flug abheben. In einem riesigen blau-grünen Globus steckte eine rostige Axt.
    Â»Aha, damit beschäftigst du dich also, wenn du nicht gerade Nagelhaut zurückschiebst.«
    Clyde lachte. »Richtig. Damit beschäftige ich mich. Mach dir’s in der guten Stube bequem.«
    Â»In der guten Stube?«
    Â»Auf

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