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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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davon reinzog. Das war das Dilemma.
    Und das Drama war, daß keiner der Älteren, die den Zweiten Weltkrieg halbwegs unbeschadet überlebt hatten, verstehen konnte, daß ein junger Mensch auf diese so teuer bezahlte Sicherheit pfiff und die Freiheit wählte, ohne einen Gedanken an ihr Risiko zu verschwenden.
    Bremer wußte, wofür er sich damals entschieden hätte: für die Stadt, die Freiheit und sämtliche Gefahren, die sie bereithielt. Er war in einer Zeit aufgewachsen, in der Drogenexperimente ihren Charme verloren hatten, man wußte schließlich, worauf man sich damit einließ – und in der man an Sex nicht denken konnte, ohne sich vor Aids zu fürchten. Nur der Rock ’n’ Roll war noch ehrlich. Manchmal wünschte er sich, früher geboren zu sein.
    Sophie Winter stand noch immer in der Mitte des Raumes und blickte hinter sich zur Tür. Sie schien auf etwas zu lauschen.
    »Ich muß nach dem Kuchen sehen«, sagte sie und sah ihn nicht an.
    »Frau Winter – Sophie …«
    »Ich kriege nämlich Besuch.« Ihre Stimme klang ausdruckslos. »Es war nett, daß Sie vorbeigekommen sind.«
    Wer hat Ihnen damals etwas angetan – außer Gottfried? War es Marie? Und was ist mit dem verschwundenen Mädchen geschehen? Bremer stand vor dem Haus und ging all die Fragen durch, die er ihr nicht gestellt hatte. Irgend etwas tat weh.
    Er wußte nicht genau, was. Vielleicht einfach nur das ungelebte Leben.

7
    »Sie haben offenbar in einer ganzen Kolonie von Wespennestern herumgestochert.« Die Stimme. Dunkel. Voll. Amüsiert. Die Person dazu interessierte DeLange mehr und mehr.
    »Der Herr Dr. Neumann-v. Braun, MdL, hat unsere kleine Unternehmung minutiös recherchiert und an jeder Schnittstelle Angst und Schrecken hinterlassen.«
    Nur nicht bei Karen Stark, vermutete DeLange. War sie groß? Bestimmt. Schlank? Nicht zu sehr. »Soll ich Ihnen die Geschichte erzählen?«
    »Ich bestehe darauf!« Wieder lachte sie.
    Also um 16 Uhr. Café Mozart. Erkennungsmerkmal: Narbe im Gesicht. Und sie?
    »Ich bin nicht zu übersehen. Hilfsweise schauen Sie nach roten Haaren.« Wieder dieses Lachen in der Stimme. »Und bevor Sie sich unnötige Gedanken machen: Ja, sie sind gefärbt. Nein, ich habe kein darauf abgestimmtes Parteibuch.«
    Trotz Feli begann DeLange, sich auf die Begegnung mit Karen Stark zu freuen. Er holte die Wäsche aus der Wäscherei, brachte seine Budapester zum Schuhmacher, kaufte Obst ein für die Mädchen – Ananas! – und kam zu spät ins Café. Doch Karen Stark kam noch später.
    Sie war groß. Die Jeans saßen etwas zu eng. Die Haare waren tiefrot und nicht von jener Farbe, die sozialdemokratische Politikerinnen bevorzugten. Sie hatte ein ausgeprägtes Profil und einen großen Mund, auf dem sie signalroten Lippenstift trug. Sie war ganz und gar nicht DeLanges Typ. Er mochte sie auf Anhieb: wie sie hocherhobenen Hauptes zu seinem Tisch marschierte, »Stark« sagte und ihm die Hand hinhielt.
    Und dann erkannte er sie. Sie war die Frau, die ihn beim Krafttraining »Angeber« genannt hatte.
    »Karen, wenn Sie mögen. Ich kann nichts für meinen Nachnamen.« Ihr Händedruck war kühl und fest.
    »Giorgio«, sagte DeLange. »Am liebsten Jo. Es sei denn, Sie bestehen auf ›Angeber‹!«
    Sie stutzte. Musterte ihn. Begriff. Und lachte.
    Die Kellnerin servierte den zweiten Kaffee, als er bei der Schlußpointe angelangt war.
    »Unser verehrter Herr Bindestrich-Neumann hatte also eine wilde Jugend. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut.« Sie löffelte den Milchschaum vom Kaffee. »Wenigstens hat er keine Polizisten verprügelt.«
    »Oder sein Millionenerbe dem Vietcong geschenkt.«
    »Waffen für Nicaragua gesammelt.«
    »Jemanden von der RAF beherbergt.« Er lachte.
    »Aber warum hat er Sie zurückpfeifen lassen?« Ihre langen Finger spielten mit dem Kaffeelöffel. »Besorgt um seinen Ruf?«
    »Möglich. Aber wirklich nervös hat ihn etwas anderes gemacht. Der Zeitpunkt. Er hat sich widersprochen, was den Zeitpunkt betrifft, an dem Alexandra Raabe das Haus und das Dorf verlassen hat. Damals hat er zu Protokoll gegeben, die junge Frau sei am nächsten Morgen gegangen. Heute früh bestand er darauf, sie habe direkt nach dem Vorfall das Haus verlassen.«
    »Allein? Mitten in der Nacht?«
    »Eben. Und da ist noch etwas. Das polizeiliche Protokoll ist einerseits sehr pingelig, andererseits erstaunlich vage. Den Aussagen der beiden Dorfbewohner zufolge hat Charles einen von ihnen beleidigt, und es kam zu einer Rauferei, bei der sich

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