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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Schauspieler, Crew und Komparsen und waren bester Laune. DeLange rückte Hannah den Stuhl zurecht, holte Besteck, legte ihr eine Serviette hin.
    Sie nahm sich Obst, ein bißchen Ananas, ein wenig Mango, ein Spürchen Quark. Hannah Lohbergs Beitrag zum Schlankheitswahn. Aus lauter Opposition griff er zu Rührei mit Schinken.
    »Solche Fälle wie der kleine Adrian – belastet dich das?« Sie stocherte in ihrem Obst.
    »Ja, natürlich.« Aber wir laufen deshalb nicht dauernd mit Betroffenheitsmiene durch die Gegend, wie ein paar eurer Fernsehermittler.
    »Und – findest du es schlimm, wenn wir aus solchen Fällen Unterhaltung machen?«
    Er blickte auf. Ihr schüchternes Lächeln fuhr ihm in die Magengrube.
    »Ich meine … Du kennst die Wirklichkeit. Und wir machen Kino daraus.« Hannah musterte konzentriert die Gabel, auf der ein Stück Ananas steckte, und legte sie zurück auf den Teller.
    Sollte er ihr die Wahrheit sagen? »Madame, während die Unterhaltungsindustrie ein Krimidrama nach dem anderen ausspuckt, nimmt die wirkliche Kriminalität ab. Das Problem ist nur: Die Leute verwechseln das. Das ist das einzige, was gegen ein gutes Stück Unterhaltung mit ein bißchen Mord und Totschlag spricht.« Aber er sagte nichts und aß weiter.
    »Wie ist das mit dir? Hast du – ich meine: mußtest du schon mal …« Sie machte eine delikate Pause.
    Jetzt legte er Messer und Gabel beiseite. Irgendwann hatte die Frage ja kommen müssen. Ob er auch schon mal. Ja. Er hatte. Die Folgen spürte er noch heute. Vielleicht sollte er es demnächst gleich beim Kennenlernen sagen? Grüß Gott, ich heiße Giorgio DeLange, ich habe dreimal von der Schußwaffe Gebrauch gemacht, zweimal mit Todesfolge. Ich bin weder abgebrüht, noch habe ich ein Trauma, nur eine Narbe und ein paar empfindliche Nervenstränge. Ich bin auch kein Brutalo oder Alkoholiker, und ich brauche kein Mitleid, sondern …
    »Dreimal, wenn du es wirklich wissen willst.«
    »Das ist viel, oder?«
    Heureka. Sie hielt nicht alle Polizisten für schießwütige Bullen. Er nickte. »Fast schon karriereschädigend. Aber mach dir keine Sorgen. Einmal in die Luft geschossen. Einmal einen schwerverletzten Hund getötet.«
    Ein Schäferhund. Ein wunderschönes Tier. Lag auf einer Schnellstraße neben der Leitplanke. Die Frau, der er ins Auto gelaufen war, stand am Straßenrand neben ihrem verbeulten VW und heulte Rotz und Wasser. Der Hund schlug matt mit dem Schwanz, als DeLange näher kam. Blut. Verdrehte Gliedmaßen. Eine weiße Rippe ragte aus dem goldfarbenen Fell. Am liebsten hätte er den Köter gestreichelt, bevor er abdrückte. Aber das empfahl sich nicht.
    Hannah langte über den Tisch und legte ihm die Hand auf den Arm. »Du hast das arme Tier erlöst!«
    Sicher. Aber vor allem konnte man so ein Riesenvieh nur tot von der Straße holen.
    »Und – das dritte Mal?«
    Er spürte, wie der vertraute Schmerz anklopfte, ganz leise, ganz zart, nur mal so, bloß zur Erinnerung. Das Messer hatte ihn an Hals und Kinn erwischt. Haarscharf an der Schlagader vorbei. Ein paar Nervenstränge durchgetrennt. Ein paar Muskeln zerteilt. Den Kieferknochen touchiert. Er hatte noch in die Luft geschossen, bevor ihm das Licht ausging.
    Jemand fragte irgend etwas. DeLange schüttelte den Kopf. Jemand nahm ihnen die Teller weg. Es war ihm recht. Und es war ihm auch recht, daß Hannah nach seiner Hand griff.
    Er war zu langsam gewesen. Besser als zu schnell. Drei Jahre später hatte er ein Messer gesehen, wo keines war. Manny Koch. Drogendealer. Ein kleiner Fisch. DeLange hatte zu früh und auch noch auf den Falschen geschossen. Aus Schiß.
    Das nannte man putative Notwehr. Auch nur ein Wort für unverzeihlich.
    »Willst du darüber sprechen?«
    Zwei Jahre lang hatten sie gegen ihn ermittelt. Wenn sie zum Schluß nicht auf Notwehr erkannt hätten, stünde er heute nicht hier, sondern hinter irgendeinem Schwenkgrill auf der Dippemess’. Zwei lange Jahre hatten sie gebraucht, bis alle Zweifel ausgeräumt waren.
    Alle? Nicht alle, Alter. Nicht deine eigenen.
    Er schüttelte den Kopf.
    Hannah zeichnete mit dem Finger Kreise in die Wasserlache auf dem Tisch. »Verstehe«, sagte sie.
    DeLange suchte nach ein paar auflockernden Worten, nach einem Scherz, einer Anekdote, aber ihm fiel nichts ein. Die Narbe pochte. Das tat sie erst seit dem Tod von Manny Koch. Alles Nerven, meinte der Arzt. Alles Psycho, dachte DeLange.
    »Hast du eigentlich das Buch gelesen?«
    Welches Buch?
    »Das Buch zum Film.

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