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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Kopf.
    Sophie wunderte sich. Man sorgte sich um sie. Es war ein ungewohntes Gefühl. Es gefiel ihr.
    »Ihre Krankenkasse, Frau Winter?« Der Arzt war noch immer mit seiner Schreibarbeit beschäftigt.
    Sophie starrte in den Becher mit der schwarzen Flüssigkeit. Die Krankenkasse. Natürlich. So ein Arzt muß seine Leistungen ja abrechnen.
    Der Mann am Couchtisch blickte auf die Uhr, notierte wieder etwas und sah endlich hoch. »Gesetzlich oder privat?«
    »Ja«, antwortete sie.
    Der Arzt guckte zu dem Weißhaarigen hinüber, sie merkte, wie die beiden Blicke tauschten, besorgte Blicke, als ob sie ihrem Zustand nicht ganz trauten. »Ja«, sagte sie noch einmal, fester jetzt.
    Der Arzt legte den Kugelschreiber auf das Formular und griff nach ihrem Handgelenk. »Stabiler Puls«, sagte er. »Aber vielleicht sollten Sie doch ins Krankenhaus gehen. Zur Beobachtung. Ich kann eine Gehirnerschütterung nicht ausschließen.«
    Sophie versuchte den Kopf zu schütteln.
    »Frau Winter?« Er schob seinen Kopf an sie heran, um ihr in die Augen zu sehen.
    Sie bewegte die Lippen.
    »Wer ist Ihr Hausarzt?«
    Kennen Sie den Witz? hätte sie fast gefragt. Großes Konzert. Stardirigent. Berühmter Pianist. Und in die Stille nach dem ersten Satz ruft einer: »Ist ein Arzt da?« Alle drehen sich nach ihm um. »Hier!« ruft ein anderer und steht auf. »Ahh, Herr Kollege«, sagt daraufhin der erste. »Ist Mozart nicht einfach göttlich?« Sie unterdrückte ein Kichern.
    »Ihr Frauenarzt?«
    »Ich habe keinen. Ich bin gesund.« Ich bin gesund, dachte sie. Es ist nichts. Ich will, daß sie gehen.
    »Na ja.« Der Arzt lächelte, ein wenig ungläubig.
    »Geben Sie ihr Zeit.« Der andere, der Weißhaarige. »Der Schock.«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Und Ihr Geburtsdatum?«
    Sie schwieg. Sie schloß die Augen. Es ist Februar. Es ist ihr Geburtstag. Sie freut sich seit Wochen darauf. Sie bekommt, was sie sich ersehnt. Einen Freund, der nur ihr gehören wird. Ganz allein ihr. Einen kleinen schwarzen Hund mit schwarzer Schnauze und dunklen Augen.
    Und dann … ist es endlich soweit. Und dann – ist es vorbei.
    »Nicht weinen, Liebling.« Mutter. »Nun sei doch vernünftig.« Vater. Im Körbchen unter dem Tisch mit den anderen Geschenken liegt er. Ein Plüschhund. Und die Farbe stimmt auch nicht.
    »Ihr Sternzeichen? Frau Winter? Hallo?«
    Aber noch schlimmer als die enttäuschten Wünsche sind ihre Erfüllung. Was, wenn es nichts mehr zu wünschen gibt?
    »Zwillinge? Schütze? Skorpion?«
    »Schmetterling«, flüsterte sie endlich. Vielleicht gingen sie jetzt?
    Der Weißhaarige räusperte sich. Es klang, als ob er lieber gelacht hätte. »Ich kümmere mich darum, Herr Kahlebach. Ich lasse Ihnen die nötigen Informationen zukommen.«
    Sophie öffnete die Augen, gerade so weit, daß sie den Gesichtsausdruck des Arztes lesen konnte. Aber der kramte in seinem Koffer und reichte dem anderen Mann eine Karte.
    »Achten Sie darauf, daß sie genug trinkt«, sagte er. »Ich muß weg. Ein alter Herr, Lungenkrebs, Endstadium. Der wartet auf sein Morphium.«
    Sister Morphine, dachte Sophie und horchte einem unbestimmten Gefühl und den Schritten der beiden Männer hinterher. Die Katze sprang aufs Sofa und schmiegte sich schnurrend an ihre Hand.
    »Wie heißt du?« fragte Sophie. Und dann: »Was weißt du?«
    Der Mann namens Bremer kam zurück und bestand darauf, ihr Wasser zu bringen und das Sofakissen aufzuschütteln. Dabei fand er es. Er hielt das Heft hoch, bevor sie danach greifen konnte. Ein dickes schwarzes Notizbuch mit einem weichen Umschlag, der nach Moleskin aussehen sollte. Der Tintenschreiber steckte in einer Schlaufe an der Seite.
    »Das hat sich in der Ritze zwischen den Polstern versteckt. Haben Sie es schon vermißt?«
    Das Tagebuch. Sie hatte es seit der vergangenen Woche gesucht. Seit der letzten Eintragung. Sie nahm es in die Hand. Was man nicht versteht, muß man aufschreiben. Und plötzlich hatte sie wieder das böse Kreischen im Ohr, mit dem die Tanne sich über sie senkte. Als ob der Baum es auf sie abgesehen hatte. Sie ließ sich in die Sofakissen zurücksinken und schloß die Augen. Endlich hörte sie die Haustür ins Schloß fallen.

9
    Sophie Winter war kein Reh, vor dem man warnen mußte. Sie ist ein eiserner Schmetterling, dachte Bremer, als er außer Atem oben auf der Anhöhe ankam. Im kleinsten Gang. Peinlich.
     
    Was machst du?
    Radfahren mit null Kondition
    Kein Wunder
    Du bist grausam
    Ja
     
    Er steckte das Mobiltelefon

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