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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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der Finanzierung eines Kraftwerks in Ruanda im Austausch für ein paar Schürfrechte in den dortigen Minen, zum Beispiel. Über ihre Deals mit den Scheichs in Abu Dhabi hatte sie geheimnisvoll geschwiegen. Aber nachdem er die Herren mit dem Kopfputz lächeln gesehen hatte, wollte er Näheres nicht mehr wissen.
    »Also Sophie Winter …« Moritz wiegte den Kopf.
    »… hat ein Buch geschrieben. Das hatten wir schon. Worüber?«
    »1968. Freie Liebe, Drogen, Revolution. Irgendwie ist das Thema nicht totzukriegen.« Moritz stellte den Spiegel zurück ins Regal.
    »Und damit kommt man auf die Bestsellerliste?«
    »Es soll spannend sein. Und grausam enden.« Moritz lachte unfroh. »Fast wie im richtigen Leben.«
    »Wer’s mag«, sagte Bremer. Irgendwie paßte das nicht zu Sophie Winter.
    Moritz griff nach seinem Einkaufswagen. »Ich muß dann mal«, sagte er.
    Bremer winkte ihm zu und schlug einen Bogen zurück zum Tchibo-Regal, auf der Suche nach annehmbaren Unterhosen. Dann ging er zur Kasse. Lucas Mutter war kein Feigling. Nicole Baumeister half auch jetzt noch in Jürgen’s Lädchen aus, thronte hinter dem Förderband und zog mit stoischer Miene die Waren über den Scanner. »Unkraut vergeht nicht«, sagte eine Kundin zu ihr, als sie ihr das Wechselgeld in die Hand drückte. »Der kommt schon wieder, der Kleine.«
    »Danke«, antwortete Nicole, als habe man ihr ein Kompliment gemacht. Gleichgültig grüßte sie den nächsten Kunden, aber Bremer lächelte sie an.
    »Es tut mir so leid, Nicole«, sagte er leise. Und dann sah er die Tränen in ihren Augen.

10
    Es war schon längst Mittag, und sie hatte Hunger. Sophie stand in der Küche und starrte auf die Zettel, die auf dem Küchentisch lagen. »Brot!!« stand auf dem einen, »Frischhaltefolie!!!« auf dem anderen. Und auf den dritten hatte sie »Alles« geschrieben, zweimal unterstrichen und mit einem extradicken Ausrufezeichen versehen. Im Kühlschrank war buchstäblich nichts und in der Speisekammer nichts, worauf sie Appetit hatte. Dabei glaubte sie sich an eine Dose Baked Beans und ein Glas Frankfurter Würstchen zu erinnern, aber im Regal standen lediglich eine Konservendose mit geschälten Tomaten, ein Gläschen mit eingelegtem Knoblauch, ein Glas Sauerkirschen und eins mit sauren Gurken.
    Zettel helfen der Erinnerung nur dann auf die Sprünge, wenn man nicht vergißt, sie zu lesen, dachte sie. Sie hatte schon gestern einkaufen wollen. Und jetzt war Jürgen’s Lädchen zu, wie immer über Mittag, und sie fühlte sich nicht stark genug, um mit dem Auto in den nächstgrößeren Ort zu fahren. Außerdem mochte sie den großen kalten Supermarkt dort nicht.
    Sie blieb stehen, mitten in der Küche, und versuchte es leichtzunehmen. Sich leichtzunehmen. Sie war entsetzlich schusselig geworden. Das Alter? Oder der Baum, der ihr nach dem Leben getrachtet hatte? Ein Schlag auf den Kopf konnte vielerlei auslösen, also auch partielle Amnesie. Teilzeitirresein, dachte sie. Oder ging das tiefer?
    Die Kaffeemaschine war noch an. Sie erinnerte sich nicht, sie eingeschaltet zu haben. Sie sollte sie ausschalten. Und ihr Leben organisieren.
    Und dann lauschte sie auf das Knacken der Dielen und das Flüstern des Lufthauchs, der sie zu begleiten schien, wo immer sie sich aufhielt – oben im Schlafzimmer, unten im Kaminzimmer. In der Küche. Im Bad. Es war das Haus, das sie einschnürte, wußte sie mit plötzlicher Klarheit. Das Haus, das sie abschnürte von allem Alltäglichen und in ein anderes Kontinuum versetzte. In eine Zeitschleife, in der andere Gesetze herrschen, in der Gegenstände leben und Menschen versteinern.
    Draußen rauschte es in den Tannen. Sonnenlicht flackerte durchs Küchenfenster und erlosch wieder. Eine Tür fiel ins Schloß.
    Sophie schrak auf und wußte für eine Sekunde nicht, wo sie war. In der Küche, wo sonst. Und wenn sie das alles nüchtern analysierte … Du fürchtest dich, dachte sie. Und zugleich genießt du die Angst vor etwas Unbekanntem. Dabei ist es dir vertraut wie die Narbe an deiner linken Hand. Sie öffnete das Gurkenglas, steckte sich eine Gurke in den Mund und kaute lustlos. Daß das Telefon läutete, nahm sie erst wahr, als das Klingeln erstarb. Der Anrufer hatte wohl die Geduld verloren. Aber was hatte die Außenwelt hier auch zu suchen? Hier, bei ihr. In einem Haus, das der Schönheit und der Liebe gehört hatte. Einst.
    Sophie starrte dem Deckel des Gurkenglases hinterher, der ihr aus der Hand gerutscht und auf den Boden gefallen

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