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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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durchzugehen, bevor er es Hannah zurückgab. Mit einem Klecks Salatsauce auf Seite 152 – hoffentlich würde sie ihm verzeihen. Aber er konnte sich nicht konzentrieren.
    In der Kantine hatte man ebensowenig seine Ruhe wie im Büro. Am liebsten hätte er sie alle an die Arbeit geschickt. Wo war das Problem? Die Polizei hatte die Menschen bei der Ausübung ihrer Rechte zu schützen, wozu das Recht auf freie Meinungsäußerung und Demonstration gehörte, und ihm persönlich war es egal, wie vielen Schwachköpfen er dabei half, ihre idiotischen Überzeugungen in die Welt zu posaunen. Also sollte auch die NPD demonstrieren dürfen. Das hatte man ja wohl gelernt aus 1968 ff., als die Obrigkeit das bloße Demonstrieren schon für Rebellion hielt.
    Nanu, Alter? Was sind denn das für Einsichten? Er ertappte sich dabei, wie er zu grinsen begann. So sprach nicht der Türeintreter DeLange. Das war O-Ton Feli. Genau: Für die wäre Summer of Love die perfekte Lektüre. Wasser auf ihre Mühlen. Was hatten sie sich gestritten, früher, vor oder nach irgendeiner dieser Latschdemos, die zum Glück aus der Mode gekommen waren – bis ausgerechnet die Neonazis sie wiederentdeckten. Immer wenn er sich lustig machte über die »friedlichen Bürger« und die »kritische Öffentlichkeit«, die sich nach einer aus dem Ruder gelaufenen Demo über das brutale Vorgehen der Polizei beklagten. Diese nützlichen Idioten der Krawallmacher und Gewalttäter.
    »Die paar Chaoten geben euch doch nur den Vorwand, auf den ihr wartet!« Feli. Vorwurfsvoller Blick.
    Stimmte ja. Manchmal. Bei manchen.
    Ach, leck mich, dachte DeLange. Die Roten sind nicht besser als die Braunen. Und solange die NPD nicht verboten ist, haben sie Rechte wie alle anderen auch. Laßt sie doch einfach durch einen abgelegenen Stadtteil dackeln, wo sie schön unter sich sind.
    Aber das gefiel den anderen nicht, den Guten. Man mußte doch ein Zeichen setzen, mußte aller Welt zeigen, daß man dagegen war. Das ging schlecht ohne die Bösen. Und so schaukelte sich die Sache hoch. Ein Scheißspiel. Und die Polizei war erst der Prellbock und hinterher der Sündenbock.
    Nett waren höchstens die jährlichen Umzüge am Christopher Street Day. Allerdings nervte DeLange, daß er bei den Schwulen als die schärfste Nummer unter den anwesenden Polizisten galt. Von kichernden Männern abgeknutscht zu werden war auch nicht seine Vorstellung von Glück.
    »Mag ja sein, daß es zu unserem Job gehört, die Prügelknaben zu spielen«, sagte der Kollege, mit dem Karla sich stritt. »Aber dann möchte ich eine entsprechende Gehaltszulage.«
    Richtig, dachte DeLange und blätterte vor.
    »Wir haben Wichtigeres zu tun, als Braune zu schützen. Es gibt einen neuen Fall von Kinderpornografie. Verdacht auf Vertuschungsmord.« Karla senkte die Stimme.
    DeLange spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Der vermißte Junge war noch immer nicht gefunden worden. Dafür hatte man den Freund der Mutter festgenommen. Der hatte Kinderbilder fragwürdiger Art auf seinem PC gespeichert. Es war nicht auszuschließen, daß der Mann hinter dem Verschwinden des Jungen steckte. Und das bedeutete meistens: Das Kind ist tot.
    Eine Beziehungstat in der Familie. Das übliche vertraute unheimliche Muster. Liebe deinen Nächsten? Besser nicht.
    Wenn Flo und Caro etwas passieren würde …
    Sein Mund wurde trocken. Was Gott verhüten möge.
    Wenn aber doch? Dann würden die Kollegen als erstes den Vater in die Mangel nehmen. Ihn. Und er konnte sich ihre Gesichter dabei vorstellen. Gnadenlos. Als zweites wäre der Freund der Mutter dran. Felis Kerl.
    Die Männerstimme am Telefon. Die »Felicitas!« rief. Morgens um kurz vor acht. Wut und Angst kamen über ihn wie eine Hitzewelle. Was, wenn die Kinder Kontakt zu Felis Liebhaber hatten, ihn trafen, womöglich in Felis Wohnung? Seine Hand ging zum Mobiltelefon. Nach ein paar Sekunden legte er sie wieder auf den Tisch.
    Flo und Caro verschwiegen ihm nichts. Das hatten sie noch nie getan. Die Kinder waren sicher.
    Er winkte hinüber zu Karla und den anderen, steckte Summer of Love in die Jackentasche, holte den Matchbeutel mit den Sportsachen aus dem Schrank im Büro, ging zum Auto und fuhr zum Filmset. Als er dort eintraf, war Pause, wie er vermutet hatte. Hannah saß in der Kantine an einem kleinen Tisch am Fenster vor einem Glas Bionade und sah schön aus. Sie lächelte ihn an, während er auf sie zuging. Fast wäre er gestolpert. Sie war nicht nur schön, sie war hinreißend.

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