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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Gazellenherden in der Nachmittagssonne durch den Busch ziehen und Schwärme von Enten auffliegen sehen. Hatte mit den Wildhütern am Lagerfeuer gesessen und auf Hanswolf gewartet.
    Sie hatten die Löwin grollen gehört, die in einem nahe gelegenen Gehölz verendete. Hanswolfs Kugel hatte die schöne Jägerin getroffen, aber nicht gleich getötet, sie mußte eine Weile zum Sterben gebraucht haben. Hätte die Löwin noch ein Fünkchen mehr Leben in sich gehabt, als Hanswolf ihr in der hereinbrechenden Dämmerung in das Gehölz folgte, etwas, das ihre Begleiter, wie man ihrem Gesichtsausdruck ansah, für selbstmörderischen Wahnsinn hielten, wäre sie damals Witwe geworden. Mit Studienratspension.
    Am nächsten Tag, im weichen Gras unter den Schirmakazien, in deren sparsamem Schatten sie saß, um die Herde von Gnus nicht zu stören, die wie Höhlenmalereien an ihr vorbeizogen, hatte sie etwas Hartes unter ihrer Hand gespürt und ohne Angst vor Schlangen, Skorpionen und Feuerameisen ins Gras gegriffen. »Dikdik«, hatte der Wildhüter gesagt, dem sie den weißen Knochen vorlegte, und auf sein Schienbein gezeigt.
    Sophie setzte sich auf und kappte die letzten feinen Verbindungen zum Traum. Den Knochen hatte sie mitgebracht. Den Mann hatte sie bald darauf zurückgelassen. Sie lief auf bloßen Füßen hinüber in die Küche und versuchte, sich an das Gefühl von weichem, biegsamem Gras unter den Fußsohlen zu erinnern. Aber der Traum war verblaßt.
    Die Küche war düster, die Bäume ließen das bißchen matten Sonnenschein nicht durch. Der Kaffee auf der Warmhalteplatte der Kaffeemaschine roch schon wieder angebrannt. Also kochte sie neuen. Sie wartete auf das summende Geräusch, mit dem das Wasser sich erhitzte, bevor es schlürfend und spuckend auf das Kaffeemehl tropfte. Aber es tat sich nichts. Und sie brauchte viel zu lange, bis sie begriff, daß sie vergessen hatte, Wasser in den Tank zu füllen.
    Endlich gab die Kaffeemaschine die vertrauten Laute von sich. Sophie spürte die Kälte der Küchenfliesen unter ihren nackten Fußsohlen. Dann ging sie zum Kühlschrank.
    Irgendwann hatte sie das Gefühl, schon eine ganze Weile vor dem Kühlschrank zu stehen und hineinzustarren, obwohl da nichts war. Gar nichts. Noch nicht einmal die harte Ecke Parmesan, die seit Wochen im Käsefach gelegen hatte. Sie hatte Hunger. Und sie fragte sich zugleich, wann sie den Kühlschrank leer gegessen hatte. Wann – und wie. Und wieder stieg dieses Gefühl in ihr hoch, von dem sie sich langsam verfolgt fühlte. Draußen war der Feind, das war auch gut so. Aber was war drinnen? Was tat – das Haus?
    Was für ein dummer Gedanke. Häuser tun nichts. Auch dieses hier nicht.
    Sie sah auf die Uhr. Jürgen’s Lädchen machte pünktlich zur Mittagspause zu, aber wenn sie sich beeilte … Sie griff nach der Einkaufstasche, als das Telefon klingelte. Wie immer im falschen Moment. Wahrscheinlich Regine. Wer sollte es sonst sein? Sie hätte dem attraktiven Polizisten gestern ihre Karte geben sollen. Der wäre mal eine Ablenkung gewesen.
    Sie nahm den Hörer aus der Basisstation. »Hallo, Regine.«
    »Verschwinde, du Nutte.« Eine Männerstimme, ein bißchen vernuschelt, wahrscheinlich betrunken. »Wir wissen, wer du bist. Du weißt, was passiert. Wir haben dich gewarnt.« Mehr mußte sie nicht hören, sie kannte solche Sätze. Und sie kannte solche Stimmen, heisere Männerstimmen, voller unterdrückter Wut. Es stimmte also. Die Ratten hatten den Köder geschluckt.
    Eine Minute später rief der Kerl wieder an. Diesmal war Sophie schneller. »Wenn Sie noch einmal anrufen, zeige ich Sie an. Ich fürchte mich nicht vor der Polizei. Die Zeiten haben sich geändert.«
    »Bella, was ist los mir dir? Mit wem sprichst du?« Regine. Sie klang erschrocken und ein wenig außer Atem.
    Sophie kam sich unendlich lächerlich vor. »Ich dachte, es sei jemand anderes am Telefon.«
    »Wer ruft dich an? Belästigt er dich? Hast du ihm deine Nummer gegeben?«
    Natürlich nicht. Sie hatte dafür gesorgt, daß ihre Telefonnummer in keinem Verzeichnis stand. Das war das wirklich Irritierende an dem anonymen Anruf. Woher hatte der Kerl die Nummer? Sie hatte, soweit sie sich erinnerte, nur einem einzigen hier aus der Gegend ihre Telefonnummer gegeben, damals, als sie einzog und Hilfe brauchte. Dem Ortsvorsteher, einem netten alten Herrn. Aber warum hätte der sie weitergeben sollen?
    Andererseits – was hieß das schon: soweit sie sich erinnerte? Genau das schien mehr und

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