Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
Straße kehrten. Täglich. Und sie – sie hatte das ein-, zweimal gemacht, ziemlich ungeübt, in der Stadt mußte man die Straße nicht fegen, aber dann hatte sie aufgegeben. Wozu auch? Welchen Dreck machte sie schon?
    Die Bäume. Das Laub. Sie kannte die Klage. Aber jetzt war Frühjahr, und Laub gab es erst wieder im Herbst.
    Ulla nickte, nicht unfreundlich, und fegte weiter. Ulla war in Ordnung, nur ihr Mann war unangenehm. Schleimiges Lächeln, falsche Freundlichkeit.
    Vor Jürgen’s Lädchen standen zwei schwatzende Frauen, die sofort verstummten, als sie an ihnen vorbeiging. Weiber. Nur Jürgen lächelte, freundlich wie immer, was nicht wirklich darüber hinwegtröstete, daß kein Brot mehr da war. Joghurt gab es nur noch mit Früchten, und im Käseregal lagen Handkäs’, Mozzarella und Camembert, nichts nach ihrem Geschmack. Sie legte dennoch eine Schachtel Camembert neben die Packung Knäckebrot in den Korb und kaufte eine Tüte sündhaft teurer Tomaten. Aber wen wunderte der Preis? Es war erst Anfang April.
    Jürgen hockte wie eine freundliche Eule hinter seiner Kasse, wo sonst Nicole saß, und fragte anteilnehmend, wie es ihr ergangen sei während des Sturms. »Das Klima spielt verrückt«, sagte er düster. Sie nickte, um nicht antworten zu müssen. Was war mit Nicole? Irgend etwas war geschehen, irgend etwas Schlimmes, aber was bloß? Sie nahm das Wechselgeld entgegen und ging.
    Du mußt endlich die Scherben beseitigen und das Flurfenster reparieren, dachte sie, als sie das Gartentor öffnete. Sie streifte die gelbe Forsythie neben der Haustür und ließ die verwelkten Blütenkelche über ihre Hand rieseln. Du mußt … Und dann stockte ihr der Atem. Die Haustür stand offen.
    Du hast sie hinter dir zugezogen und zweimal abgeschlossen, dachte sie, wie immer. Bestimmt? Bestimmt.
    Oder? Sie vergaß zuviel in der letzten Zeit. Womöglich hatte sie auch das vergessen. Demnächst ließ sie noch die Kochplatte an. Sie sah das Haus in Flammen stehen und fröstelte. Sie sollte etwas gegen diese verdammte Vergeßlichkeit tun. Dann ging sie ins Haus.
    In der Küche warf sie die vertrocknete Narzisse, die auf dem Küchentisch lag, in den Restmüll und stellte das leere Sauerkirschenglas in den Korb mit den Flaschen. Wann war sie das letzte Mal beim Flaschencontainer gewesen? Sie erinnerte sich nicht. Auch nicht, ob sie die fünf leeren Weinflaschen, die im Korb lagen, allein ausgetrunken hatte. Wahrscheinlich. Sicherlich nicht zusammen mit den Nachbarn.
    Sophie setzte sich an den Küchentisch, löffelte einen der scheußlich süßen Früchtejoghurts, trank einen Becher Kaffee, der nicht mehr schmeckte, und ließ die Tomaten auf dem Tisch stehen. Da war etwas. Etwas, das sie unter keinen Umständen vergessen durfte. Die weiße Katze spazierte über den Küchentisch und zuckte mit dem buschigen weißen Schwanz. Sophie ließ das Tier den leeren Joghurtbecher auslecken und kraulte es, bis es zu schnurren begann.
    Sie blieb sitzen am Küchentisch, die Katze auf dem Schoß, horchte auf die Atemzüge des Hauses und das Pochen ihres Herzens. Sie saß und saß und starrte hinaus in den Garten. Die Tanne winkte ihr zu, als ob sie ihr etwas sagen wollte.

16
    45 Jahre. Zobel war seit 45 Jahren mit seiner Frau zusammen. Die Zahl ging DeLange nicht aus dem Kopf. Wie sich das wohl anfühlte, auf 45 Jahre Eheglück zurückzublicken?
    Das schaffst du nicht mehr, Alter. Auch nicht, wenn du es auf die durchschnittliche Lebenserwartung des deutschen Mannes bringst und dann noch bei Verstand bist. Dir fehlt die entscheidende Voraussetzung: das geeignete Gegenüber.
    Am Nebentisch wurde es laut. »Verbieten. Dann hat sich das.«
    Karla. Es ging um die NPD-Demonstration, die für Samstag angemeldet war. Zum zweiten Mal in diesem Jahr. Das nervte alle hier.
    »Wir kennen doch das Spiel. Die Braunen grölen ihren dumpfen Schwachsinn, und wir müssen sie auch noch schützen dabei.« Vor den Gegendemonstranten, die, fand DeLange, meistens auch nicht gerade intelligentes Zeug brüllten.
    »Was heißt hier: ›Wir machen sie zu Märtyrern, wenn wir sie verbieten‹? Muß sich ein Rechtsstaat etwa alles gefallen lassen? Und im übrigen – die Kosten für so einen Einsatz gehen in die Hunderttausende.«
    Eine rein politische Rechnung. Die Gehälter für die Einsatzkräfte mußten schließlich sowieso bezahlt werden. DeLange rührte in seinem Kaffee, vor sich Sophie Winters Roman. Er hatte sich vorgenommen, das Buch noch einmal gründlich

Weitere Kostenlose Bücher