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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Gedanken wirklich zu. Wenn sie starb, sollten die Mädchen sie sehen dürfen. Also erst recht, solange sie noch lebte, oder?
    Er erinnerte sich gern an den Tod seiner Mutter, so seltsam das klang. Die ganze Familie hatte gewußt, daß ihr Körper das Leben nicht mehr lange mitmachen würde. Sie war aus dem Krankenhaus entlassen worden, um zu Hause zu sterben. Roberto und er hatten ihr Bett ins Wohnzimmer geschoben, unter das Fenster, und sie alle waren gekommen. Pietro aus Mailand, Carmen aus London, er und die anderen aus Frankfurt, München, Wiesbaden. Immer saß einer an ihrem Bett, horchte auf ihren Atem, redete mit ihr in den wenigen Minuten, in denen sie wach war. Sie teilten sich die Nachtwache. Am dritten Tag war DeLange dran. Er saß neben ihr in den frühen Morgenstunden, war eingenickt, obwohl der Stuhl auf die Dauer elend unbequem war, und schreckte erst auf, als ihr Atem sich veränderte.
    Es war ein Geräusch, das er nie vergessen würde. Sie holte nicht Luft, nein, sie kämpfte um Luft, die sie mit rasselnden Zügen in ihren schmal gewordenen Körper sog. Dann setzte ihr Atem aus. Und dann kamen noch zwei, drei solcher Luftzüge, die Pausen dazwischen immer länger. Noch einer. Und endlich war alles still. Er hatte ihre Hand genommen, er hatte sie zwei Stunden lang festgehalten, während sie unmerklich kälter und steifer wurde. Er sah zu, wie ihr Gesicht sich veränderte, die Augen tiefer in die Höhlen sanken, das Kinn herabfiel, die Haut immer blasser und durchscheinender wurde. Er hatte lange Abschied genommen, hatte sich alle Zeit der Welt dafür gegönnt, und das war gut gewesen.
    Wenn Feli sterben sollte …
    Er bog von der Eschersheimer Landstraße ab in die Polizeimeister-Kaspar-Straße und fuhr auf den Parkplatz. Morgen würde er mit den Mädchen ins Krankenhaus fahren.
    »Hallo Jo! Wie geht es Feli? Du mußt nicht kommen, das weißt du, oder?« Karla versuchte ein Lächeln. »Auch wenn du natürlich unentbehrlich bist!«
    »Weiß ich!« DeLange sah Karla an, daß sie am liebsten das Drama in allen Details serviert bekäme, aber genau darauf hatte er nicht die geringste Lust.
    Er ging in sein Zimmer und fuhr den PC hoch. Wenn Sophie Winter ein Pseudonym war, hatte er Pech.
    ZEVIS aufrufen. Einen Führerschein hatten die meisten. Angela Simon eingeben plus Geburtsdatum. Und Bingo. Da war sie schon. Angela Maria Sophie Simon, verheiratete Winter.
    Wohnhaft Auenweg 4 in Klein-Roda. Der Postleitzahl nach irgendwo in Oberhessen.
    War das nicht die Gegend, in der der kleine Junge verschwunden war? Also eine Örtlichkeit, in der öfter mal was wegkam? Die Härchen auf seinen Unterarmen stellten sich auf, ganz langsam. Manche hatten eine Spürnase. Bei ihm saß es in den Haarwurzeln – das untrügliche Gefühl, einer Sache auf der Spur zu sein.
    Die Winter hatte mit der Geschichte von Angel, Sascha und Charles ihre eigene Geschichte aufgeschrieben. Sascha gleich Alexandra. Charles gleich Karl-Heinz. Angel gleich Angela. Und nach ihrer Version war Sascha nicht nur verschwunden, sondern auch tot – gestorben nach einer Treibjagd eines entfesselten Dorfmobs in einem Wald bei Klein-Roda. War das nun Literatur oder die brutale Wirklichkeit? Und wenn es letzteres war: Warum hatte sie damals nichts gesagt – und warum gab sie es heute nicht zu? Er würde sie fragen müssen.
    Und wo er schon mal dabei war – the same procedure mit Karl-Heinz Neumann.
    »Jo, du mußtest heute wirklich nicht kommen, wir haben die Sache fest im Griff.«
    Er blickte auf. Karla lehnte im Türrahmen.
    »Nicht, daß die in Wiesbaden uns das Leben leichtmachen. Ich habe gerade einen Anruf aus dem Ministerbüro gekriegt. Die Ministerin ist am Freitag verhindert, und der Staatssekretär kann um die verabredete Uhrzeit nicht, ob wir wohl die Präsentation zum Fast ID um einen Tag vorziehen könnten?«
    Karla versuchte zu lächeln, dabei platzte sie unter Garantie vor Wut. »Ist uns ein leichtes, habe ich gesagt.« DeLange lächelte nicht. Sie brauchte seine Hilfe. Aber er wollte nicht. Nicht jetzt.
    »Ich habe alles schon geregelt. Fred und Akif demonstrieren reihum, wie schnell unser Fast ID wirklich ist, und ich gebe eine kurze Zusammenfassung mit Ausblick auf die Zukunft. Mit Dr. D. werde ich schon fertig.«
    DeLange richtete den Blick gen Himmel. Dr. Doom, die Geißel der Menschheit. Auch Dr. Doppelname genannt, weil er nach der Heirat dem eigenen den Namen seiner Frau hinzugefügt hatte, v. Braun: Das stellte was dar, so

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