Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
da noch eine gewisse Kaltblütigkeit in deinen Augen. Ich würde sagen, das ergibt eine Mischung aus Alain Delon und George …«
»Clooney«, vollendete Paul den Satz. »Danke. Das höre ich fortwährend. Ich frage mich, wann Hollywood anruft, um mich zu engagieren.«
»Egal. Es hilft dir ohnehin nicht weiter.«
»Wieso?«, fragte Paul überrascht.
»Weil ich dir deshalb nicht eine einzige zusätzliche Information geben werde. Selbst wenn du der echte George Clooney wärst.« Sie reichte ihm die Hand. »Bis demnächst. Recherchiere meinetwegen weiter, wenn du unbedingt willst, aber lass um Himmels willen Blohfeld aus dem Spiel.«
6
Paul wusste, wann es Probleme gab. Er konnte anstehenden Ärger wittern. Und genau das tat er, als er von seinem Besuch bei Katinka Blohm zurück zum Weinmarkt kam. Er ahnte, dass sich seine persönlichen Vorbehalte gegenüber der Polizei in Kürze bestätigen und verfestigen würden. In der aufflackernden Sorge suchte er nach einem Fluchtweg, doch es war bereits zu spät: »Grüß Gott!«, sagte der Uniformierte, der sich ihm in den Weg stellte.
»Grüße Sie«, Pauls Erwiderung war mehr gezischt als gesprochen und fiel schärfer aus, als beabsichtigt.
»Ist das Ihr Kastenwagen dort drüben, der blaue?«, der hochgewachsene, klapperdürre Polizist mit pickelübersätem Pubertätsgesicht bemühte sich, unter seiner wenig modischen Brille ein möglichst hohes Maß an Souveränität auszustrahlen.
»Aber das wissen Sie doch«, sagte Paul und nahm die Schärfe aus dem Ton. »Im Übrigen ist es kein Kastenwagen, sondern ein ganz normales Auto.«
»Er hat hinten diesen großen Aufbau drauf«, der Polizist wedelte wie zur Bestätigung seiner Worte mit den schlaksigen Armen in Richtung des Wagens, und das bisschen Autorität, das er aufgebaut hatte, verflog angesichts dieser erbärmlichen Geste.
»Es ist ein handelsüblicher Renault mit Laderaum.«
»Ja«, sagte der Beamte knapp, und seine Augenlider flackerten bedenklich. »Aber« – und dieses Aber zog er in der Betonung bis an die Grenze der Lächerlichkeit. »Aber dieses – wie Sie sagen – handelsübliche Automobil steht im Halteverbot.«
Paul musterte den Kontaktbeamten, und er wusste, dass sich der junge Kerl irgendwie profilieren musste in einem Stadtteil, der so ruhig war, dass er eigentlich keinen Polizisten benötigte. Betont gelassen sagte er: »Sie wissen, dass ich Anwohner bin.«
»Erstens heißt es nach einer Grundsatzentscheidung des Deutschen Städtetages neuerdings Be- und nicht mehr Anwohner«, musste sich Paul belehren lassen. »Und zweitens: Warum liegt keine Parkberechtigungskarte für Bewohner im Wagen?«
»Liegt sie doch!«
»Nein, ich habe nachgeschaut und keine gesehen.«
»Dann ist sie vielleicht runtergerutscht. Oder es liegt etwas drauf«, Paul spürte seinen Unmut wieder aufkommen. Aber diese sture Beamtenseele war offenbar nicht bereit, ihn ziehen zu lassen: »Keine Parkberechtigungskarte bedeutet: keine Parkberechtigung«, er zückte seinen Strafzettelblock, als ein schäbiger weißer Lieferwagen mit lautem Gedröhn um die Ecke bog. Das Auto fuhr viel zu schnell für die engen Gassen, und als der Wagen an ihnen vorbeischoss, spritzte ihnen Schneematsch an die Hosen.
Der Kontaktbeamte wandte sich augenblicklich von Paul ab. Pauls Laune besserte sich schlagartig, wusste er doch, was ihn als Nächstes erwartete.
Er folgte dem Polizisten bis vor den Goldenen Ritter, wo der Lieferwagen jetzt mit aufgerissenen Türen stand und ein flinker, untersetzter Mann damit beschäftigt war, Kisten voller Salat, sonstigem Gemüse und Champagnerflaschen abzuladen. Paul blieb einige Meter zurück und verfolgte voller Genugtuung den heftigen Disput, der sich zwischen dem Kontaktbeamten und dem Wirt des Restaurants entspann. Paul fiel auf, dass der Wirt während der gesamten Auseinandersetzung weiterschuftete, der stur auf einem Fleck stehende Polizist aber augenscheinlich mehr Energie verbrauchte. Entnervt, demoralisiert und noch immer den Strafzettelblock schwingend, zog er schließlich ab, stolperte über einen durch den Frost herausgetriebenen Pflasterstein und verschwand leise fluchend in der nächsten Gasse.
Noch immer wütend stieß Jan-Patrick einige unübersetzbare fränkische Beleidigungen aus. Seine dunklen Augen funkelten böse über die selbstbewusste Nase hinweg.
»Was steht heute Abend bei euch auf der Speisekarte?«, fragte Paul in der Absicht, den Chefkoch des Goldenen Ritters zu
Weitere Kostenlose Bücher