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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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weiteren rhetorischen Pause: »Sie werden uns doch nicht enttäuschen?«
    »Nein.« Paul rang mit sich. »Das heißt: in gewisser Weise schon.«
    »Was soll das heißen? Haben Sie die Negative denn nicht abgeschickt?« Winklers Ton wurde langsam schärfer.
    Paul konnte nicht anders, holte einmal tief Luft und sagte dann: »Die Aufnahmen haben keinerlei Bedeutung für Sie beziehungsweise für Dr. Frommhold.«
    »Drücken Sie sich bitte etwas klarer aus«, sagte Winkler gereizt.
    »Ich habe die Bilder wiederholt genauestens angesehen. Es ist mit Sicherheit nichts darauf zu sehen, was Dr. Frommhold in irgendeiner Weise in Schwierigkeiten bringen könnte.«
    »Ihr Wort in Ehren«, sagte Winkler, »aber das genügt mir nicht. Überlassen Sie uns die Negative!«
    »Wie ich schon sagte: Die Bilder stellen keine Gefahr für den Bürgermeister dar. – Ich habe inzwischen einige Erkundungen eingezogen: Frau Frommhold war am Abend der Christkindlesmarkteröffnung nicht mit Densdorf unterwegs, das können Sie mir glauben.«
    Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann ein letzter Versuch von Winkler: »Ich bestehe darauf, dass Sie sich an unsere Verabredung halten!«
    Paul hielt inne und überlegte, wie er am besten aus dieser Situation herauskam. Schließlich entschied er, dass nur die Wahrheit helfen würde: »Hören Sie mal«, beendete er die Farce, »die Negative und Abzüge sind dort, wo sie hingehören: bei der Staatsanwaltschaft. Richten Sie dem Bürgermeister aus, dass er nichts zu befürchten hat. Die zuständige Staatsanwältin Frau Blohm wird das Beweismaterial ohnehin äußerst vertraulich behandeln. Ich denke, mit dieser Lösung ist uns beiden gedient.«
    »Hm.« Winkler brauchte offensichtlich Zeit zum Nachdenken. Dann sagte er: »Ich werde die Angelegenheit mit Dr. Frommhold besprechen.«
    »Das ist eine gute Idee«, sagte Paul erleichtert.
    Doch Winkler gab sich nicht so leicht geschlagen. »Ich kann allerdings nicht dafür garantieren, dass Sie Ihr volles Honorar behalten dürfen.«

22
     
    Paul war fasziniert: Das Herzstück des Dürerhauses bildete das zweite Obergeschoss mit einer großen Werkstatt, einer Farbküche und einer Druckerei. Hier hatte sich der Künstler verwirklicht: Die breiten Fensterreihen der nordöstlichen Seitenwände boten ihm mildes Licht für seine Arbeiten mit Staffelei und Grabstichel.
    Es war zehn Minuten vor neun. Paul betrachtete einige Regalvitrinen, die mit Farbrohstoffen pflanzlicher und mineralischer Herkunft gefüllt waren. Das meiste verblichen und in Ockertönen. Im Glasschrank gleich daneben ruhten giftige Substanzen wie Arsensulfid und Bleiweiß. Paul studierte eine Erläuterungstafel und dachte sich, wie froh er doch sein konnte, im Zeitalter der modernen Fotografie zu leben: Dürers Farbstoffe bestanden in ihrer Rohfassung aus groben Brocken, die erst in mühseligen Verfahren zerrieben und mit Ölen, Harzen und Eiweiß vermengt werden mussten, bevor der Meister richtig loslegen konnte. All diese Utensilien waren wahrscheinlich auch Grund für den undefinierbaren Geruch, der das Haus durchströmte.
    Ein Geruch, der sich jetzt allerdings mit dem köstlichen Duft nach Gebackenem und einem Strauß frischer Kräuter vermischte: Zwei Etagen tiefer tischte Jan-Patrick für den großen Empfang auf. Auf Pauls bis eben zusammengepressten Lippen entspann sich ein Lächeln. Er bewegte sich gerade auf die Tür zum Treppenhaus zu, als ihm Bürgermeister Frommhold entgegentrat. Dessen Blick tastete ihn mit kalter Arroganz ab. Er blieb jedoch nicht stehen.
    Doch gerade, dass Frommhold ihn ignorierte, bestätigte Paul sein nach wie vor großes Interesse an den Bildern: Frommhold fürchtete ganz sicher immer noch, seine eigene Frau wäre auf den Fotos in flagranti mit Densdorf zu sehen. Paul wusste es zwar besser, dachte aber nicht daran, einen weiteren Versuch zu starten, Frommhold zu überzeugen. Die Andeutungen, die Winkler seinem Chef überbracht hatte, mussten ausreichen.
    Stimmen aus dem Erdgeschoss kündeten die erste Gästewelle an. Paul stieg hinunter. Er konzentrierte sich auf seine Arbeit und lichtete zufriedene Gesichter von hochgestellten Herrschaften ab, die von Jan-Patricks Flusskrebssülzchen mit Weinlaub kosteten.
    Als er anschließend einige Schritte hinter Frommhold den festlich geschmückten Empfangsbereich betrat, ließ der Koch gerade Styroporbecken herumreichen, in denen die rosafarbenen, handtellergroßen Krebse zappelten und die Frische des zu erwartenden

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