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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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ein elektronisches Flöten.
    Paul riss die Augen auf, und Dürers Antlitz zerfiel. Der Waldhornchor entpuppte sich schlicht als sein Telefon. Paul schielte zur Uhr. Ein Uhr nachts.
    »Was würden Sie dazu sagen, wenn Densdorf und der Schreiner ihr krummes Ding im Dürerhaus von langer Hand geplant hätten? Was würden Sie sagen, wenn der Schreiner es dann ohne Densdorf durchziehen wollte und der ihn deswegen im Streit getötet hätte? Damit hätten wir endlich ein überzeugendes Motiv!«, schallte die sonore Stimme Victor Blohfelds durch den Hörer, unterbrochen von deutlichen Schmatzgeräuschen.
    Paul zog seine Zudecke dichter an sich heran. »Sitzen Sie etwa noch in Ihrer Redaktion?«, fragte er schlaftrunken.
    »Ja«, Blohfeld unterdrückte einen Rülpser. »Beim verspäteten Weißwurstfrühstück. Oder beim verfrühten, je nachdem, wie man es sieht. Aber ich muss mich entschuldigen, Sie haben wahrscheinlich schon geschlafen.«
    Paul hörte Blohfeld abermals beherzt zubeißen. Sein Magen begann heftig zu knurren, und er sehnte sich nach einem getrüffelten Petersiliensüppchen oder irgendeiner anderen erlesenen Kleinigkeit aus Jan-Patricks Küche.
    »Ich habe inzwischen weiter recherchiert. Es hat sich gelohnt, die Story wird immer besser«, setzte Blohfeld fort.
    Paul vergrub sich in seiner Decke und beschloss, einfach nur zuzuhören.
    »Densdorf und der Schreiner haben sich vor ihrem Tod ja bekanntlich getroffen, vermutlich sogar mehrmals. Aber die Polizei hat dem bisher keine sonderliche Bedeutung beigemessen. Denn dass der Leiter vom Tourismusamt mit Handwerkern aus dem Dürerhaus Kontakt hält, ist ja auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich.« Blohfeld machte eine bedeutungsschwangere Pause und sog hörbar Luft ein. Wohl eine Zigarre. »Wissen Sie, Flemming, die Bullen haben einfach nicht die richtigen Schlüsse gezogen: Bei den Treffen der beiden ging es nämlich nicht um das Dürerhaus an sich, sondern um etwas im Dürerhaus.«
    »Rauchen Sie Zigarre?«, fragte Paul gegen die Müdigkeit ankämpfend.
    »Ja, allerdings keine besonders hochwertige. Aber immerhin schmeckt sie nach Karibik. Das gibt mir die Illusion, statt in der Tristesse des Großraumbüros auf leer gegessene Papierteller mit schrumpeligen Weißwurstresten auf den weißen Strand einer tropischen Insel zu blicken – mit Palmen und Kokosnüssen. Und mittendrin liegt ein mit schweren Goldketten behängter, braun gebrannter Helmut Densdorf.«
    Paul musste lachen.
    »Flemming«, sagte Blohfeld dann salbungsvoll. »Die beiden wollten den ganz großen Coup im Dürerhaus landen. Ich weiß noch nicht genau, wie und mit welchem dritten Partner, aber ich bin sicher, den Knoten bald lösen zu können. Wir sind der Wahrheit dicht auf den Fersen.«
    »Mit Dürer-Bildern kann es jedenfalls kaum zu tun haben«, sagte Paul nach längerem Nachdenken. »Denn im Dürerhaus hängt ja kaum eines.«
    »Während der Eröffnung eben doch!«, sagte der Reporter. »Halten Sie also morgen die Augen offen. Ich bin sicher, dass unser Mann oder unsere Frau unter den Gästen sein wird.«
     
    Der nächste Morgen, der Tag der Dürerhaus-Eröffnung, begann mit einem wichtigen Telefonat, das Paul von seinem gläsernen Schreibtisch aus führte. Vor sich eine halb geleerte, inzwischen lauwarme Tasse Cappuccino mit einem dünnen Rest Milchschaum, daneben ein halb verzehrtes Laugenbrötchen und die aktuelle Tageszeitung, die sich noch einmal mit dem Todesfall in der Sebalduskirche beschäftigte und in einem Kommentar einen besseren Schutz der Kirche vor unerwünschten Eindringlingen, sprich: Landstreichern, verlangte.
    Der Anruf erreichte ihn genau nach dem ersten Biss in sein Brötchen.
    »Büro des Bürgermeisters. Bitte bleiben Sie am Apparat, ich verbinde«, sagte eine Frauenstimme.
    »Mein lieber Herr Flemming«, begrüßte ihn Bürgermeisteradlatus Dr. Winkler, und schon diese kurze Floskel enthielt mehr als die Andeutung einer Drohung.
    Paul richtete sich in seinem Stuhl auf. »Guten Tag«, sagte Paul bemüht lässig. »Wie geht es denn so? Sie rufen sicher wegen der Negative an.«
    Er ahnte, wie sein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung langsam und bestimmt nickte. Winkler ließ sich Zeit, bevor er mit gesenkter Stimme sagte: »Ich für meinen Teil habe unsere kleine Verabredung eingehalten. Ihr Honorar für die Dürerhaus-Eröffnung ist überwiesen worden und müsste bereits auf Ihrem Konto eingegangen sein. Ein Zeichen meines guten Willens.« Und nach einer

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