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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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Menüs bekundeten. Die Gäste waren angetan – und Paul hatte vielversprechende Motive. Er setzte einen kompakten Vierundzwanzig- bis Einhundertachtzig-Millimeter-Megazoom auf den Bajonettverschluss seiner Nikon. Das Varioobjektiv erlaubte ihm dank des Weitwinkels Totalen vom gesamten Raum und ohne lästigen Objektivwechsel Nahaufnahmen. Paul richtete seinen Blitz aus und legte los.
    Köpfe erschienen im Sucher seiner Kamera, die ihm von der täglichen Zeitungslektüre vertraut waren. Bankdirektoren, Wirtschaftsgrößen, der Präsident der Industrie- und Handelskammer. Die Kulturreferentin, eine schmucke Erscheinung mittleren Alters, schenkte ihm ein Zahncremewerbungslächeln. Dann erwischte er Jan-Patrick mit einem besonders prächtigen rosaroten Exemplar, das er mit beiden Händen bändigen musste. Paul drückte drei Mal den Auslöser und verfolgte seinen Freund mit der Kamera auf dem Weg durch das sich füllende Foyer. Jan-Patrick hielt den Flusskrebs Frommhold entgegen, der jetzt eine große goldene Amtskette über der Brust trug. Paul prüfte, ob auf seinem Film noch genügend Aufnahmen frei waren, und ließ das Blitzlicht flackern.
    Der Bürgermeister nahm Jan-Patrick den Krebs ab, der sich von den Bindfäden um seine Scheren befreit hatte und jetzt noch wilder um sich schnappte. Er hielt ihn mit ausgestreckten Armen vor sich und wendete ihn hin und her.
    »Ich verstehe gar nicht«, bemühte Frommhold sich um einen Witz, »warum Dürer diesen Hasen gemalt hat. Ein Flusskrebs ist doch viel interessanter.«
    Beifall brandete auf. Paul schwenkte ins Publikum und knipste lachende Gesichter, mittendrin auch Lena, fröhlich und ausgelassen.
    Paul setzte seine Kamera wieder an und fotografierte, ohne wirklich bei der Sache zu sein. Er wechselte die Patrone. Ein Mal, zwei Mal, sechs Mal. Jan-Patrick kündigte den nächsten Gang an, »Silvaner-Schnee mit gerauchtem Krebs«, als Paul Lena fast auf die Füße trat.
    Sie nickte ihm unverbindlich zu. »Aha, der Herr Fotograf.«
    »Die Frau Architektin«, sagte Paul, sich vollauf im Klaren darüber, wie wenig originell er war.
    »Nimmt dich dein Job so mit, oder warum siehst du so schlecht aus?« Eine Prise Sarkasmus lag in ihrer Stimme.
    »Entschuldige, dass ich mich wegen unserer Weihnachtsplanung noch nicht wieder bei dir gemeldet habe. Ich bin im Moment einfach … zu sehr in Gedanken.«
    »In Gedanken. Soso.« Sie sah ihn forschend an. »Aber Heiligabend rückt von Tag zu Tag näher, bald solltest du dich entscheiden, mit wem du feiern willst, du schwer beschäftigter Fotograf.« Sie zog ihn am Tragegurt seiner Kamera zu sich heran und zischte ihm ins Ohr: »Wenn du Weihnachten unbedingt allein deinen trüben Gedanken nachhängen willst, werde ich mich für morgen Abend ganz frech selbst zum Adventsessen einladen, um wenigstens ein bisschen besinnliche Stimmung in dein trostloses Singleleben zu bringen.« Sie ließ ihn wieder los.
    Paul wusste, dass sie keine Antwort erwartete. Er wäre auch gar nicht dazu gekommen, denn Jan-Patrick klopfte an ein Mikrofon und pries eine Rieslaner Spätlese sowie eine Bacchus-Auslese vom Jahrgang Fünfundneunzig an. Paul flüchtete sich ins nächste Stockwerk, wo jetzt ebenfalls Jan-Patricks Köstlichkeiten serviert wurden. Auch hier Prominenz in höchster Konzentration – im Hintergrund einige Dürer-Originale, die für diesen Abend von anderen Museen ausgeliehen worden waren.
    Paul gab sich Mühe, die Bilder auf seinen Fotos gebührend zu würdigen und sie zumindest bei einigen seiner Aufnahmen anstelle der Promis in den Vordergrund zu rücken. Denn die anderen Städte hatten sich nicht lumpen lassen und für die Eröffnungsfeierlichkeit einige wahre Prachtstücke ausgewählt, die nur sehr selten auf Reisen gingen: Paul schaltete zum Schutz der Bilder seinen Blitz aus, legte einen empfindlichen Film ein und lichtete Dürers weltbekanntes Selbstbildnis von 1500 ab, eine Leihgabe der Alten Pinakothek München. Wien hatte zwar nicht den Feldhasen herausgerückt, immerhin aber die Kopfstudie eines Afrikaners aus dem Jahr 1508. Die meiste Zeit jedoch verbrachte Paul vor Adam und Eva, der Version von 1507 in Öl auf Holz, überlassen vom Museo del Prado in Madrid. Wachpersonal war dezent neben den Gemälden postiert.
    Nur ungern riss er sich wieder von den Dürer-Originalen los, um sich wieder den Besuchern zu widmen. Er fotografierte zwei Hoteldirektoren im Gespräch, eine Delegation der Bundesagentur für Arbeit, einen auf jugendlich

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