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Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter

Titel: Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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die ich mir selbst aussuche.«
    Paul schmunzelte. Als Dank für ihre sehr förderliche Begleitung wollte er Hannah zu einem Mitternachtsmahl einladen. »Hier gibt es zwei Restaurants, du hast die Wahl«, sagte er gönnerhaft. Er schnappte sich einen Flyer mit der aktuellen Speisefolge von einem Stehtisch und las: »Thaibasilikum-Crèpes, Stör-Mousse, Lachs-Gurken-Maki …«
    Hannah schaute skeptisch. »Sie wissen doch: Ich stehe weder auf angesagte Bars noch auf teure Küchen.« Nun lächelte sie. »Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin heute Abend gern mitgekommen, weil ich die Sache an sich spannend fand. Aber wenn Sie mir etwas zu essen anbieten wollen, dann plündern wir doch lieber Ihren Kühlschrank daheim«, schlug sie vor.
    Paul wog die möglichen Folgen kurz ab, stimmte dann aber zu. Warum nicht, sagte er sich, seine Freundschaft zu Hannah war inzwischen reichlich erprobt und unverfänglich. Vielleicht würde er ihr demnächst sogar das Du anbieten. Andererseits: Man sollte ja nichts überstürzen.

10
    Als Paul die Tür seines Appartements aufschloss und das Licht einschaltete, begrüßte sie vom gegenüberliegenden Ende des Flurs der lebensgroße Schwarzweißabzug einer nackten Farbigen, von Paul liebevoll seine »Mokkabraune« genannt. Ein fotografisches Frühwerk, auf das er aber nach wie vor stolz war.
    Auch Hannah hatte eine Schwäche für seine Aktfotografie und erkundigte sich regelmäßig nach neuen Werken. Heute Nacht aber hatte sie – abgesehen von unbändigem Appetit auf Zwiebelringe und Kartoffelchips – nur Interesse daran, das soeben Erlebte aufzuarbeiten.
    »So dekadent kann doch niemand wirklich sein«, schimpfte sie vor sich hin.
    »Sprichst du von Modzig oder den anderen?«, fragte Paul, nahm sich einen der wenigen übrig gebliebenen Chips und kuschelte sich in seine Sofaecke. Zum Trinken hatte er sich ein dunkles Gutmann- Hefeweizen bereitgestellt.
    »Von allen«, wetterte Hannah und stopfte die letzten Zwiebelringe in ihren Mund. »Ich meine: Der Wiesinger ist verheiratet, oder? Aber wo war heute Abend seine Frau? Ich wette, der Typ hat die Kellnerin mit dem roten Rock, kaum dass wir gegangen waren, abgeschleppt. Jede Wette, der ist jetzt mit ihr im Hotelzimmer«, ereiferte sie sich, und ihre Wangen begannen zu glühen.
    »Na und?«, entgegnete Paul, wobei er seine lässige Haltung beibehielt und genüsslich an seinem Bier nippte. »Es kann uns doch egal sein, ob Wiesingers Ehe intakt ist.«
    »Trotzdem«, beharrte Hannah, und Paul konnte ihr ansehen, dass sie diese Sache in sich hineinfraß. »Ich möchte zu gern wissen, wie seine Frau aussieht«, sagte sie bärbeißig.
    »Wiesingers Frau?«
    »Ja! Ich will wissen, was für ein Typ Frau sich in aller Öffentlichkeit von ihrem Mann bloßstellen lässt.«
    Paul überlegte einen Moment lang. Dann raffte er sich auf und holte seine Kamera von der Fensterbank. Er setzte sich neben Hannah. »Augenblick«, sagte er, »ich habe den Chip noch nicht gelöscht.« Er aktivierte das kleine LCD-Display am Rücken des Fotoapparats. »Das sind die Fotos, die ich vom Ehepaar Wiesinger gemacht habe. Am Tatort; du weißt schon.«
    Hannah beugte sich interessiert vor. »Das ist die Wiesinger?«
    »Ja, eine exotische Schönheit. Brasilianerin und wie man hört auch nicht gerade die Jungfrau von Orleans. Enttäuscht?«
    Hannah sah näher hin. Dann lächelte sie böse. »Nein, ganz im Gegenteil: Sehen Sie ihre Augen? Diese Frau weiß, was gespielt wird. Wiesinger kann ihr nichts vormachen. Sie ist ihm immer einen Schachzug voraus.«
    Paul lachte über Hannahs starke Einbildungskraft. »Und das erkennst du alles in einer winzig kleinen Digitalaufnahme einer Frau, die dir völlig unbekannt ist?«
    »Ja«, sagte Hannah voller Überzeugung. »Nennen Sie es Intuition – ich denke, dass es nicht Andi Wiesinger ist, der das Sagen hat, sondern seine Frau.«
    »Deine weibliche Intuition in Ehren, aber ich glaube dir kein Wort«, sagte er amüsiert und blätterte weiter durch die Bilder. Er war jetzt bei den Aufnahmen angelangt, die den Porsche zeigten.
    Auf dem Foto konnte man die edle Ledergarnitur des Sportwagens erkennen. Noch einmal drückte Paul die Vorwärtstaste, und jetzt füllte das Cockpit des Sportwagens den kleinen Bildschirm.
    Paul sah für einen Moment gedankenverloren auf das Bild.
    Dann fiel ihm etwas auf. Er betätigte mit dem Daumen das Rädchen, mit dem er den Vergrößerungsgrad der Aufnahme verändern konnte. Er drehte so lange, bis die

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