Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
hat.«
»Was denn für einen Tipp?« Paul war ratlos, weil er die Hollywoodkomödie nur noch rudimentär in Erinnerung hatte.
Jasmin klärte ihn auf: »In diesem Film geht es um einen großartig inszenierten Überfall auf ein Spielcasino in Las Vegas. Ganz im klassischen Rififi-Stil.«
»Ja«, sagte Paul, der sich vage an einige Szenen entsinnen konnte, die die langwierige Vorbereitung dieses perfekten Coups zeigten.
»Aber«, betonte Jasmin und zog dabei ihre rechte Augenbraue in die Höhe, »dieser Überfall war nichts weiter als ein Bluff.«
»Ein Bluff . . .«, wiederholte Paul, der zu ahnen begann, worauf Jasmin hinaus wollte.
»Ja, der ganze Aufwand diente nur der Ablenkung«, klärte ihn Jasmin auf. »Es war eine spektakuläre Show, aber eben nur ein cleveres Täuschungsmanöver. In Wirklichkeit haben die Diebe ihre Beute auf ganz andere Art ergattert – viel schlichter! Sie sind im Chaos des Großalarms ganz einfach damit herausmarschiert.«
»Ich erinnere mich . . .«, sagte Paul, um gleich darauf beunruhigt zu fragen: »Aber wovon sollten dann die Kameras und Mikros im Rathaus ablenken? Der Coup hat ja nie stattgefunden. Die Reichskleinodien sind immer noch an Ort und Stelle.«
Jasmins Augen fixierten ihn. »Bist du sicher?«
Paul stockte der Atem. Ihm schossen irrwitzige Gedanken durch den Kopf. Keiner davon ergab auch nur ansatzweise Sinn. »Wenn die ganze elektronische Ausrüstung, die wir gefunden haben, die Flucht von Stromberg, vielleicht sogar der Mord an Bea Meinefeld nur zur Ablenkung gedient haben – wie sieht dann der eigentliche Plan aus?«, fragte Paul voll innerer Anspannung. »Wie um Himmels willen wollen diese Gangster an die Reichsinsignien herankommen?«
»Vielleicht haben wir es nicht mit einem simplen Diebstahl zu tun, sondern mit einem Austausch«, legte Jasmin ihre Gedankengänge offen. »In diese Richtung deuten doch Schumis Hinweise und auch die doppelte Registratur in Rubachs Unterlagen.«
»Stimmt – es klingt nach Original und Fälschung.« Paul kratzte sich am Kinn. »Aber wer kann oder konnte einen solchen Austausch vornehmen? Und wie und wann?«
Darauf wusste auch Jasmin keine Antwort.
Nachdem sie eine Weile nachdenklich geschwiegen hatten, schlug Paul vor: »Am besten wäre es, wenn wir uns über diese zweifache Registrierung während des Zweiten Weltkriegs schlau machen. Sie scheint mir der Schlüssel zur Auflösung dieses Falls zu sein.«
»Oder doch nur ein neuer Irrweg«, gab sich Jasmin skeptisch. »Aber irgendwo müssen wir ja anfangen.« Unvermittelt erhob sie sich von ihrem Barhocker.
»Wohin gehst du?«, fragte Paul.
»Ich hole mein Notebook aus dem Spind in der Umkleide. Wir müssen ins Internet, und ich hoffe inständig, dass die hier ein vernünftiges Wireless-LAN-Netz haben.«
Keine fünf Minuten später surften beide Seite an Seite im Netz. Auf die Unterbringung der Reichskleinodien im unterirdischen Bunker während der letzten Kriegsjahre kamen sie sehr schnell über zahlreiche Google-Einträge. Die Enzyklopädie Wikipedia verriet ihnen zudem die Namen jener, die versucht hatten, die Reichsinsignien vor den anrückenden Alliierten zu verbergen.
Die meisten dieser Namen waren Paul aus Geschichtsunterricht, Zeitungslektüre oder seinem Gespräch mit dem Zeitzeugen Heinrich Bartel vage vertraut und lösten daher keine besondere Reaktion mehr aus. Als ein weiterer Name fiel, horchte er allerdings auf:
»Wormser«, las Jasmin eher beiläufig vor.
»Moment«, bremste sie Paul. »Sagtest du Wormser?«
Jasmin saß tief über den Bildschirm gebeugt an der Theke. »Ja. Ein gewisser Johann Wormser war in Kriegszeiten einer der Verwalter des Kunstbunkers. Warum interessierst du dich gerade für den?«
Vor Pauls geistigem Auge riss plötzlich ein Vorhang aus dichtem Nebel auf. Er erinnerte sich an einen Artikel, den er über das Norisring-Rennen gelesen hatte. Und vor allem an die Namen von Prominenten, die sich als Besucher angekündigt hatten. »Bitte such bei Google mal nach Lambert Wormser«, bat Paul.
Jasmin blickte erstaunt auf. »Meinst du den skandinavischen Multimillionär? Was hat denn der mit. . .«
»Genau den«, unterbrach Paul sie.
Jasmin kam seiner Bitte nach. Keine halbe Minute später flackerte auf dem LCD-Schirm des Laptops die Bestätigung für Pauls Vermutung auf: Der schwedische Broker Lambert Wormser war der Sohn des Nürnberger Gralshüters Johann Wormser.
»Ich werde im Polizeiarchiv weitersuchen«, sagte Jasmin
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