Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
Sie tun?«
»Oh, nein, nein. Da ist bei Ihnen wohl ein falscher Eindruck entstanden. Meine Begleiterin war von der Polizei. Ich selbst bin Fotoreporter.«
»So? – Ja, ähem, warum also rufen Sie an?«
»Wie es aussieht, bleibt es ja leider beim Untersuchungsverbot für die Heilige Lanze«, gab sich Paul am Telefon betrübt. »Aber die Redaktion ist trotzdem überzeugt, dass wir eine große Story über Sie bringen sollten.«
»Ich bedaure sehr, aber ich werde in Kürze abreisen. Da bleibt leider keine Zeit mehr für die Lokalpresse.«
»Nein, nein, Sie verstehen mich falsch. Ich arbeite als freier Fotojournalist. Diesmal geht es um eine Story für ein Hamburger Magazin.«
»Oh – der Stern? Oder reden wir hier über den Spiegel?«
»Ja, da liegen Sie richtig. Wir wollen Sie deutschlandweit ganz groß rausbringen. Ich kann mir vorstellen, dass eine Positivstory auch Ihrem Forschungsetat zugute kommen würde.«
»Ja, ähem, sicherlich wäre das interessant. Rein wissenschaftlich betrachtet. . .«
»Sie sind also dabei?«
»Nun . . . – Ja, ich denke, ich kann mich einem Interview in dieser wichtigen Angelegenheit nicht entziehen. Wo wollen Sie mich treffen?«
»Am besten in der Hotellobby. Sie sind doch im Grand Hotel einquartiert, habe ich recht? Ich könnte in einer halben Stunde bei Ihnen sein.«
Rubach hatte sich für seine Verhältnisse fein herausgeputzt. Sein Haar war geordnet, und zu seinem nicht mehr ganz modernen Anzug trug er diesmal sogar eine Krawatte.
»Gehen wir an den Erkertisch«, schlug Rubach vor, nachdem sie sich im mondänen Foyer des Jugendstilgebäudes begrüßt hatten.
Im Erker der Hotelbar waren sie ungestört. Die Fenster zum betriebsamen Bahnhofsvorplatz waren schallgeschützt, und die Geräusche von den anderen Tischen klangen nur gedämpft herüber.
»Was möchten Sie also wissen?«, fragte der Professor und schielte bereits begierig auf die Kamera, die Paul neben sich auf dem runden Tisch platziert hatte.
Paul wartete zunächst ab, bis der Kellner ihre Bestellung aufgenommen und eine Etagere mit kunstvoll belegten Kräckern in ihre Mitte gestellt hatte.
»Wie ich schon am Telefon sagte: Die Hamburger sind von Ihrer Theorie überzeugt. Sie möchten die Meinungsbildung fördern und dazu beitragen, dass die Untersuchung doch noch zustande kommt.« Paul legte sich schwer ins Zeug, um überzeugend zu klingen. »Deshalb möchte ich soviel wie möglich über Ihre Forschungsarbeit erfahren.«
»Das ehrt mich«, sagte Rubach geschmeichelt. »Diese Untersuchung wäre unbedingt notwendig gewesen. Nur so hätten wir das Kerngeheimnis der Lanze endlich lösen können.« Er beugte sich vor und begann mit fester Stimme zu erzählen: »Der Aufbau ist ja in groben Zügen bekannt: Die goldene Manschette, die die Lanze umschließt, stammt aus dem 14. Jahrhundert. Die Silberhülle aus dem 11. Jahrhundert. Der Silberdraht zum Fixieren der seitlich angebrachten Flügel aus dem 7. Jahrhundert und die Klinge aus dem 7. oder 8. Jahrhundert, also nicht aus biblischer Zeit. Die Klinge wurde wahrscheinlich in karolingischer Zeit angefertigt«, vertiefte der Professor. »Aber nun zum eingeschlossenen Nagel: ein Eisennagel mit aufgeschmiedeten Messingkreuzen. Der gute Erhaltungszustand schließt im Grunde genommen schon aus, dass er alt ist. Er enthält jedoch einen unbekannten Einschluss.«
»Die rätselhafte Struktur, um die es Ihnen eigentlich geht«, folgerte Paul.
Rubach nickte. »Das eröffnet wirklich viele Möglichkeiten. Unter Theologen hält sich die Hypothese, dass im Inneren doch noch ein authentischer Nagelsplitter enthalten ist. Die Lanze ist ja nicht umsonst auch vom Vatikan als Reliquie anerkannt, als die sogenannte Deutsche Lanze. Nach meinen Erkenntnissen und Forschungen spricht aber viel dafür – wie Sie ja schon wissen –, dass wir es mit einem Metall nicht-irdischen Ursprungs zu tun haben . . .«
»Entschuldigen Sie«, unterbrach Paul. »Könnten wir für das Foto vielleicht einige Ihrer Aufzeichnungen und Forschungsarbeiten auf dem Tisch ausbreiten? Das macht einfach mehr her.«
»Bitte?«, fragte Rubach verwirrt. Dann besann er sich auf die gewünschte Öffentlichkeitswirkung und sagte: »Ja, gern. Ich habe meine Akten allerdings nicht hier. Sie sind oben in meinem Zimmer. Soll ich schnell einige holen?«
Paul tat so, als würde er über diesen Vorschlag – den er geplant und vorhergesehen hatte – nachdenken, winkte dann aber ab: »Das wäre umständlich. Was
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