Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
Präsidium. Aber jetzt, um halb eins in der Nacht?« Sie schielte zu Paul hinüber.
Der blies ratlos die Backen auf. »Vielleicht hat ja noch irgendwo ein Schnellimbiss auf.«
»Wie unromantisch«, sagte Jasmin etwas eingeschnappt und verschwand durch eine Zimmertür.
Paul folgte ihr und fand sich in der Küche wieder, einem schlauchförmigen, gemütlichen Raum, der auf einen kleinen Balkon hinausging. Paul warf einen Blick nach draußen und sah vor einem rostigen schmiedeeisernen Geländer ein Ensemble, bestehend aus einem kleinen Bistrotisch mit zwei Stühlen und einem großen Kübel mit verwilderten Gartenkräutern. Selbst bei Nacht war der Blick auf den kleinen Innenhof sehr hübsch. Die rückwärtigen Ziegelsteinmauern der umstehenden Häuser mit ihren alten Rundbogenfenstern waren von Efeu überwuchert.
»Mal schauen, was ich noch da habe«, sagte Jasmin, als sie den Kopf ins Innere eines voluminösen alten Kühlschranks steckte. »Kloßteig, Crème Fraiche, ein paar Stangen Spargel – die sind noch von gestern übrig –, zwei Chicoree und das Übliche: Eier, Butter, ein Becher Sahne.«
»Willst du jetzt wirklich noch anfangen zu kochen?«, fragte Paul zweifelnd. »Also, für mich musst du nicht extra . . .«
Jasmin fixierte ihn, während sie die erste Ladung Nahrungsmittel vor ihrer Brust bündelte. »Hey, du bist ja fränkischer, als ich dachte. Darf man in deinen Kreisen das Abendessen nicht nach 19 Uhr einnehmen?«, fragte sie spitz. »Ich werde uns was Feines zusammenbrutzeln. Pass mal auf: zum Aperitif Chicoree!«
Ehe Paul es sich versah, war Jasmin schon dabei, die Zutaten auf einer kleinen Arbeitsplatte auszulegen und äußerst behände zuzubereiten. »Chicoree ist bitter und regt den Kreislauf an«, sagte sie und fügte scherzhaft hinzu: »Das müsste selbst bei Schlafmützen wie dir wirken.« Sie wusch die Blätter und richtete sie mit einer Balsamico-Vinaigrette und in Butter gerösteten Schwarzbrotstreifen an.
»Trinken wir dazu ein Glas Sekt?«, fragte sie und hatte den Piccolo bereits in der Hand.
Paul öffnete die Balkontür. »Eine warme Nacht«, sagte er und schob einen der Bistrostühle zurück.
»Den hatte ich schon eine kleine Ewigkeit im Kühlschrank«, sagte Jasmin, während sie sich am Verschluss der kleinen Sektflasche zu schaffen machte, »aber nie war eine Gelegenheit da, ihn aufzumachen.«
»Lass mich mal machen.« Paul nahm ihr den Piccolo ab und knackte den störrischen Schraubverschluss mit einer energischen Bewegung aus dem Handgelenk.
Jasmin brachte die Vorspeisenteller nach draußen auf den Balkon, während Paul ihnen beiden einschenkte.
»Auf dein Wohl«, sagte er und erhob sein Glas.
»Auf unseres«, sagte Jasmin. Sie hüllte ihre nackten Beine in eine Wolldecke und trank dann den Sekt ohne abzusetzen aus.
Beide aßen, ohne dabei viele Worte zu verlieren. Aber ihre Blicke trafen sich fortwährend. Paul wusste nicht, worauf dieser späte Abend hinauslaufen würde. Er wusste auch nicht, ob er sich darüber Gedanken machen wollte.
»Du kannst hier draußen sitzen bleiben, während ich uns noch was Richtiges zum Essen zaubere«, schlug Jasmin vor.
»Ich schaue dir lieber über die Schultern und helfe mit, wenn ich darf«, sagte Paul.
In der kleinen Küche stand Paul dicht hinter Jasmin und schnupperte ihr leichtes Parfüm. Flink verrührte sie den Kloßsteig mit zwei Eiern und Milch, bis eine zähflüssige Masse entstand, die sie mit Pfeffer, frisch geriebener Muskatnuss und Salz würzte. In einer Pfanne briet sie gewürfelten Frühstücksspeck mit klein gehackten Schalotten an, bestäubte das ausgelassene Fett mit etwas Mehl und gab zum Ablöschen einen Schuss fränkischen Weißwein hinein.
»Das hier werde ich jetzt mit Spargelfond auffüllen und etwas köcheln lassen«, erklärte Jasmin. Paul ertappte sich dabei, dass er ihr unterdessen viel zu nahe gekommen war. Er spürte die Wärme ihrer Haut durch die dünne Pyjamaseide.
Jasmin rundete ihr Mahl mit Petersilie und Schnittlauch ab. Dann schüttete sie aus einer Frischhaltebox kleingehackten Löwenzahn und Brennnesseln dazu. »Keine Sorge«, sagte sie lächelnd. »Geschnittene Nesseln verlieren ihr Feuer.«
Mit einem großzügigen Klecks Crème Fraiche rundete sie die Soße ab. Der Spargel köchelte inzwischen in einem anderen Topf. Aus der Kloßteigmasse formte Jasmin Kartoffelpuffer, die sie in dünnen Scheiben ausbriet und zusammen mit dem Spargel und der Kräutersoße auf zwei großen, schlichten
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