Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
das war einfach nur ein netter Abend. Keiner von uns ist dem anderen etwas schuldig. Also zerbrich dir nicht den Kopf darüber.«
»Okay«, sagte Paul ein wenig gekränkt und fragte sich, ob er Jasmin glauben sollte. Er hatte doch schon längst so eine Ahnung, dass sie beide dabei waren, sich gewaltig zu verlieben. Und er war sich so gut wie sicher, dass bei Jasmin trotz ihrer demonstrativen Lässigkeit mehr Gefühle im Spiel waren, als sie zugeben wollte.
Vielleicht hatte sie Angst davor, verletzt zu werden. Sie vermutete wohl, dass bei einem Mann wie Paul diese Möglichkeit durchaus bestand. Diente die harte Schale zum Selbstschutz?
»Du grübelst ja immer noch!« Jasmin stieß ihn mit der Fußspitze an. »Ich mache dir jetzt mal einen Vorschlag: Du brühst dir einen Kaffee auf, isst Cornflakes mit Joghurt, machst dich in Ruhe fertig und stellst ein paar Nachforschungen über Lambert Wormser an. Finde heraus, was genau er in Nürnberg treibt, außer dass er das Norisring-Rennen verfolgt.«
»Okay«, willigte Paul wieder ein. »Und was tust du?«
»Erst einmal gibt es in Nürnberg noch ein paar andere Verbrechen, um die ich mich kümmern muss. Ansonsten suche ich nach Hinweisen, die uns dabei helfen, die Ereignisse vom April 1945 mit denen von heute in Verbindung zu bringen. Ich spüre, dass wir dicht dran sind – aber noch fehlt der unmittelbare Zusammenhang.«
Paul sparte sich das Frühstück, nachdem Jasmin gegangen war. Er wollte sich lieber gleich an seinen PC setzen und Erkundigungen über die Familie Wormser einholen.
Ein Multimillionär aus Skandinavien, dessen Vater einst zu den Hütern der Reichskleinodien gehörte, kehrte während der Ausstellung der Insignien in seine Heimatstadt zurück. Das konnte alles heißen oder auch nichts, sinnierte Paul, als er Jasmins Wohnung verließ. Es kam ganz darauf an, mit welchen Geheimnissen über die Reichskleinodien Wormsers Vater am Ende der Nazidiktatur vertraut gewesen war. Vor allem wäre es wichtig zu erfahren, ob der alte Wormser seinen Sohn in sein Wissen eingeweiht hatte. Paul spürte bei diesem Gedanken einen kühlen Zug in seinem Nacken. Die feinen Härchen auf seiner Haut stellten sich auf. Er ahnte, dass es keine schönen Geheimnisse sein würden, die er lüften wollte.
40
Nun war es also tatsächlich soweit. Paul versuchte sich einzureden, dass es eigentlich gar kein besonderer Tag war. Sein Double in Hollywood hatte die Vierzig ja schon vor ein paar Jahren erreicht, und seiner Attraktivität und seinem Elan hatte das anscheinend keinen Schaden zugefügt. Jedenfalls musste man diesen Eindruck gewinnen, wenn man die Titelseiten der Frauenzeitschriften las.
Im Gegensatz zu George Clooney bekam Paul an seinem Geburtstag weder haufenweise Fanpost, noch klingelte ununterbrochen das Telefon. Immerhin: Seine Eltern riefen an, und gegen Mittag meldete sich eine Großtante aus Bad Windsheim. Im Briefkasten fand er ein Glückwunschschreiben der Sparkasse und einen Einkaufsgutschein vom Modehaus Wöhrl.
Er tröstete sich damit, dass er ja am Abend im Goldenen Ritter seine Freunde treffen würde. Trotz der laufenden Ermittlungen gegen ihn und trotz des nach wie vor ungelösten Falls um die Reichskleinodien hatte er sich am Ende doch noch dazu durchgerungen, in kleiner Runde zu feiern. Jan-Patrick hatte zugesagt, ein paar Köstlichkeiten aufzutischen. Na ja, und ein wenig Zuspruch konnte Paul an seinem Ehrentag allemal gebrauchen.
Wieder guter Dinge schlenderte er am frühen Abend in sein Lieblingsrestaurant. Die auf Eis gebetteten Fische in der Auslage gleich am Eingang des rustikalen Lokals sahen aus wie gerade aus dem Meer geholt. Und das waren sie auch, wusste Paul doch, dass Jan-Patrick seine Ware von seinem Großhändler über Nacht fangfrisch vom Mittelmeer beziehungsweise der Nordsee anfahren ließ.
Kellnerin Marlen winkte Paul von einem Ensemble aus drei zusammengeschobenen Tischen zu. Die zierliche Brünette stand auf einem Stuhl und war gerade damit beschäftigt, eine Girlande mit einer in kitschigem Gold gehaltenen »40« anzubringen. Als sie seinen skeptischen Blick bemerkte, zuckte sie bedauernd mit den Schultern. »Jan-Patrick hat darauf bestanden«, sagte sie mit ihrem leichten französischen Akzent.
Paul schmunzelte nun doch über den Gag des Küchenmeisters. Er würde sich wohl daran gewöhnen müssen, dass die noch anstehenden runden Geburtstage in seinem Leben immer mehr mit Jubilarfeiern und immer weniger mit den flippigen Partys
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