Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
resolut hinweg. »Hermann und ich wünschen uns Enkelkinder, die von dir stammen. Hannah ist ein patentes Mädel, aber sie ist aus dem Alter raus, in dem man noch Oma und Opa braucht.«
Für Paul musste es klar sein, dass es keinen Zweck hatte, länger gegen seine Mutter zu argumentieren. Sie hatte ihre festen Ansichten, von denen sie sich nicht abbringen ließ, und wenn man noch so viel Energie aufwandte, um sie umzustimmen. Daher lenkte er das Gespräch auf den Mord im Knoblauchsland, wusste er doch, dass Hertha seine Vorliebe für das Kriminalisieren durchaus teilte. Er brachte sie auf den aktuellen Stand und meinte: »Mittlerweile glauben sie, dem Täter auf der Spur zu sein.«
»Ja, ja, ich hab’s in der Zeitung gelesen. Soll einer aus der Politik gewesen sein«, sagte sie missbilligend. Paul war sich nicht sicher, ob diese Missbilligung dem Personenkreis der Politiker im Allgemeinen galt oder ob sie - ohne dass es ihr Paul gesagt hätte - bereits von der konkreten Person wusste.
Weder noch, wie sich herausstellte, als Hertha fortfuhr: »Ich glaube das nicht. So ein Großkopferter ist doch nicht blöd. Wenn der sich mit einem jungen Ding einlässt und es anschließend wieder loswerden will, kennt der andere Mittel und Wege als Mord. Wenn gar nichts hilft, gibt er seinen Fehltritt einfach zu, entschuldigt sich öffentlich und gelobt gegenüber der Ehefrau Besserung. Dann legt sich der Pressewirbel nach ein paar Schlagzeilen ganz schnell wieder, und die Sache ist erledigt. Das haben doch sogar schon Ministerpräsidenten vorgemacht, alles kein Problem mehr heutzutage.«
Paul musste seiner Mutter zustimmen. Aus diesem Blickwinkel hatte er es noch gar nicht betrachtet, aber sie hatte recht: Martin Rode musste durch einen publik gewordenen Seitensprung nicht zwangsläufig seine weitere Karriere gefährdet sehen - durch eine Gewalttat aber ganz bestimmt! »Wie es aussieht, gibt es keinen anderen, der als Täter in Frage käme«, hielt er dennoch dagegen.
Hertha, deren pechschwarz gefärbte Locken ihr schmales Gesicht umrahmten, führte ihren Zeigefinger zu ihren wie immer übermalten Lippen und dachte nach. »Lass uns mal alle durchgehen«, sagte sie schließlich und begann die Personen aufzuzählen, die Paul ihr zuvor in seinem Bericht über den Fall genannt hatte. Sie bemühte sich, Motive für jeden der Beteiligten zu finden: Jo, der Drogendealer, sei von Frieda womöglich unter Druck gesetzt worden, weil sie zu viel über ihn wusste. Axel Bär, der Fotograf, habe Frieda vielleicht mit Sexfotos erpresst, die ihr im Nachhinein peinlich gewesen waren. Bauer Deuerlein könnte Rache für Graffitis, eingeschmissene Scheiben und den übrigen Terror geübt haben. Der eigene Vater Wilhelm Bruns konnte aus Zorn über die unerwünschte Schwangerschaft durchgedreht sein. Ihr Bruder Tobias fühlte sich vielleicht in der Gunst des Vaters durch die hübsche Schwester zurückgesetzt und handelte aus Eifersucht.
Überzeugend fand Paul all diese Konstruktionen aber ebenso wenig wie seine Mutter selbst. »Das hat alles weder Hand noch Fuß«, sagte sie, verärgert über ihre mangelnde Intuition. Nach einer weiteren Denkpause sah sie ihren Sohn entschlossen an: »Weißt du was, Paul: Ich denke, dass euch ein ganz wesentlicher Aspekt durch die Lappen gegangen ist. Wie steht es denn mit Friedas Mutter? Es sind doch immer die Mütter, die sich in das Wesen und die Gemütslage ihrer Kinder am besten hineinversetzen können. Hier sollten Katinka und die Polizei ansetzen! Hier findet ihr vielleicht den Schlüssel!«
Er betrachte Hertha mit leichter Enttäuschung, als er fragte: »Habe ich es versäumt zu erwähnen? Friedas Mutter lebt nicht mehr. Sie starb schon vor etlichen Jahren.«
»Ach«, gab Hertha nicht weniger enttäuscht von sich. »Woran denn? Unfalltod?«
»Schwere Krankheit, soviel ich weiß. Ich glaube, Krebs.«
»Du glaubst?« Neuer Elan stieg in ihr auf. »Das musst du genau wissen. Es kann der entscheidende Punkt sein. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Tod von Mutter und Tochter.«
Paul hob unschlüssig die Brauen. »Ein Zusammenhang? Wie soll der aussehen?«
»Bin ich Hellseherin?«, blaffte ihn seine Mutter an. »Aber zwei Tote in einem Haushalt sind nach meinem Empfinden einfach zu viele. Da werde ich misstrauisch. Ist das Katinka etwa entgangen?«
»Ich bin sicher, dass sie diesen Punkt überprüft hat«, stellte sich Paul demonstrativ vor seine Frau. Doch überzeugt war er davon nicht. Er
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