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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Lindquist
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    »Keine Bange. Deine Lippen werden zu sehen sein .«

FÜNFZEHN
    Die Sonne brannte auf den Sandstrand , an dem sie sich treffen wollten. Paul wäre lieber zum Felsenschwimmbad am anderen Ende der Stadt geradelt, aber er hatte Petr bestimmen lassen.
    »Mama ist krank«, hatte er am Telefon gesagt. »Sie hat Migräne. Deshalb möchte ich in ihrer Nähe sein. Ich habe mir vorgenommen, irgendwann gegen Mittag kurz nach Hause zu radeln, um nach ihr zu sehen. Du hast doch nichts dagegen ?«
    »Überhaupt nicht. Das macht nichts. Hauptsache wir sehen uns«, hatte Paul geantwortet.
    Sie waren rausgeschwommen und hatten sich zum Sonnenbaden auf ein Floß gelegt.
    »Stell dir vor, morgen werden sie auf dem Mond landen«, sagte Paul. »Das ist doch fantastisch. Stell dir mal vor, ich dürfte dabei sein. Das wäre einfach wunderbar .«
    »Ja, das wäre es. Aber ich glaube, ich würde mich nicht trauen«, sagte Petr.
    »Nicht? Warum denn nicht?«
    »Na, ich weiß nicht. Das ist so ... so weit weg. Stell dir mal vor, du könntest nicht mehr zurück. Wenn die Rakete irgendeinen Defekt bekäme, sodass man nicht mehr vom Mond abheben könnte. Dieses Risiko würde ich nie eingehen .«
    »Ich würde mich trauen«, sagte Paul und stützte sich auf seine Ellenbogen. »Es würde keine Rolle spielen. Wenn ich nicht mehr zurückkommen könnte, meine ich. Stell dir doch nur mal vor, auf dem Mond zu gehen, die Erde von oben zu sehen. Das wäre mir die Reise wert, auch wenn ich nicht zurückkehren könnte. Das wäre doch so etwas Großartiges, dass die Rückkehr nicht mehr wichtig wäre. Meinst du nicht? Für ein solches Erlebnis könnte man doch sterben ?«
    Petr schnaubte. »Nein, wirklich nicht. Es gibt jede Menge Plätze und Länder auf der Erde, die ich sehen will. Stell dir vor, nach Afrika zu fahren und all die wilden Tiere zu sehen. In echt. Oder die Pyramiden. Oder auf diesem unterirdischen Fluss zu fahren, der durch die Adelsberger Grotte fließt. Man könnte einfach nur im Boot sitzen und sich die vielen Stalaktiten anschauen .«
    Paul lachte. »Na klar, das wäre auch toll. Aber das könnte man ja dann zuerst machen. Und dann könnte man sich die Reise zum Mond bis zuletzt aufheben, bis man alles auf der Erde gesehen hat. Würdest du dich dann trauen ?«
    »Vielleicht. Aber ich glaube eher nicht. Ich glaube, ich hätte trotzdem Angst .«
    »Ach«, sagte Paul. »Aber du weißt schon, dass es riesengroße eklige Spinnen in Grotten gibt ?« Er streckte die Hand aus und tat so, als wären seine Finger Spinnenbeine, die über Petrs Rücken liefen.
    Petr lachte und wich zurück.
    Paul streckte sich auf dem Badelaken aus, als Petr aufstand, um sich umzuziehen.
    »Ist ja schrecklich, wie du guckst«, sagte Petr und lächelte.
    »Ja. Du bist so schön. Ich bekomme Bauchschmerzen allein bei deinem Anblick«, sagte Paul. »Eigentlich sollten wir jetzt bei dir zu Hause sein. Allein.«
    »Am nächsten Wochenende werden wir allein sein «, sagte Petr. »Da fahren Mama und Papa wieder nach Kalmar. Dann haben wir drei ganze Tage für uns. Und dann kann ich mich anziehen und ausziehen, so oft du willst. Aber du solltest dir besser eine gute Bauchmedizin besorgen. Sonst überlebst du das Wochenende nicht .«
    Paul lächelte. »Sie können mir gerne meinen Bauch amputieren. Solange ich mit dir zusammen sein kann .«
    »Meinetwegen«, sagte Petr. »Solange sie nichts anderes amputieren .«
    Er zog seine Shorts an und beugte sich zu Paul hinunter. »Ich werde in etwa einer halben Stunde wieder zurück sein. Ich will nur sehen, ob meine Mutter etwas braucht .« Er beugte sich tiefer und gab Paul einen Kuss auf die Wange. »Ich kaufe uns ein Eis, wenn ich zurückkomme. Tschüß, Princi.«
    »Ja «, sagte Paullächelnd. »Beeil dich !«
     
    Die Sonne brannte auf seinen Rücken. Er lag mit dem Kopf unter dem Handtuch da und lauschte den Geräuschen seiner Umgebung; lachende Kinder, Eltern, die nach ihren Kindern riefen, Transistorradios, die Töne von sich gaben, die ab und zu vom Wind weggeblasen wurden. Weit entfernt hörte er eine Sirene und einen Bus, der anfuhr. Und direkt neben ihm saß ein kleines Mädchen, das mit seiner Plastikente sprach.
    Er zog das Handtuch zur Seite, stützte sich auf die Ellenbogen und schaute auf Petrs Armbanduhr, die noch neben der Badehose lag.
    »Warum kommt er denn nicht ?« , murmelte er. »Jetzt ist er schon seit über einer Stunde weg .«
    Er stand auf und schaute forschend in Richtung des Weges. »Beeil dich,

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