Paul sucht eine Frau
der Krankenkasse vorzustellen und ein gutes Wort für sie einzulegen. Und tatsächlich, drei Tage später kam der Anruf. Sie stellen ihr gerne das benötigte Budget von 4.000 Euro zur Verfügung, solange die Krankenkasse dafür mit dem Film eine groß beworbene Premiere veranstalten darf. Ist der Papst katholisch? Natürlich hat sie ohne nachzudenken zugesagt.
Lara zieht den Reißverschluss der Kameratasche zu und atmet durch. Immer mit der Ruhe. Heute Abend muss sie einen kühlen Kopf bewahren. Sie darf Paul nicht zu sehr mit ihrer Kamera unter Druck setzen, um seine Gunst nicht zu verspielen. Gleichzeitig muss sie voll konzentriert sein, um die perfekten Bilder einzufangen. Rollstuhl-Rugby ist ein actiongeladener Sport. Aber schnelle Bewegungen auf einem Spielfeld in Szene zu setzen ist nicht einfach. Filmt sie das Geschehen in einer statischen Totale, dann wirken die Bilder später wie ein Schnecken-Rennen. Sie braucht Nahaufnahmen von aneinanderknallenden Rollstühlen, um die Emotionen einzufangen. Aber um solche zu drehen, muss sie als Kamerafrau immer im richtigen Moment an der richtigen Stelle stehen. Und das ist nicht leicht.
Wenn sie ihren Job gut macht, hat sie am Ende imposante Bilder im Kasten, die sowohl Herrn Richter, das Publikum und sogar Paul vom Hocker reißen werden.
* * *
Was ist nur mit Paul los?
Nico steht auf dem Spielfeld und beobachtet seinen Freund, der gerade einen einwandfreien Pass an sich vorbeifliegen lässt.
Klar. Fürs echte Leben taugt Paul nicht. Aber wenn er etwas bisher richtig gut konnte, dann war das Rugbyspielen. Ausgerechnet heute, wo Lara das erste Mal die Kamera zum Spiel mitbringt. Oder liegt es gerade an der Kamera?
Davon sollte Paul sich nicht verrückt machen lassen. Sein Versteckspiel fliegt nicht auf, solange er sich ganz normal verhält. Doch desto nervöser Paul agiert, umso auffälliger wird seine Verstellung.
Das kommt davon, wenn man versucht, aus einem Warmduscher einen Weiberheld machen zu wollen.
»Das gibt’s doch nicht!«, brüllt Harry, der gerade ausgewechselt hinter der Linie steht und sich das Debakel ansieht. »Scheiße! Das ist die Rollstuhlmannschaft. Die Blinden trainieren gegenüber!«
Zeit für eine Pause, denkt sich Nico. Er lässt sich gegen einen anderen Defensiv-Spieler auswechseln und gesellt sich zu Harry.
»Was ist nur mit deinem Kumpel los?« Harry wirkt ernsthaft besorgt. »Wenn der so weiter macht, haben wir keine Chance beim Turnier.«
»Ihm geht’s gesundheitlich nicht so gut. Hast du nicht gehört, dass er jetzt Assistenz braucht?«
Eine clevere Ausrede, wie Nico findet.
»Ja«, sagt Harry und sieht in Laras Richtung. »Von solchen jungen Mädels würde ich mich auch mal gern betreuen lassen. So schlecht scheint es ihm nicht zu gehen – solange er noch den Filmstar markieren kann.«
»Paul kriegt das schon hin bis zum Turnier. Er fängt sich wieder. Versprochen.«
»Das will ich hoffen.«
Harry rollt ein paar Meter aufs Feld und gibt ein Zeichen, dass er eingewechselt werden will. Paul kommt auf ihn zu. Nassgeschwitzt wie nach drei Stunden Krafttraining.
»Kümmer dich um deinen Kumpel. Sonst reiß ich euch beiden genüsslich den Arsch auf«, sagt Harry zu Nico. Dann rast er aufs Feld, mitten in eine Ansammlung mehrerer Spieler.
Paul greift sich ein Handtuch von der Bank und wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht.
»Anstrengend den Krüppel zu spielen!«, sagt er.
»Warum so gereizt?«, fragt Nico.
»Warum? Weil sie die ganze Zeit mit der Kamera auf mich hält! Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Aber du hast endlich eine Frau gefunden. Also – alles super.«
»Ja, klar. Nur, dass ich ihr weder die Wahrheit gesagt habe, noch was ich für sie empfinde. Und wenn auffliegt, dass ich den Krüppel nur spiele, dann reißt mir die Krankenkasse den Arsch auf.«
»So gesehen.«
»Und Lara reißt mir den Arsch auf, wenn ich ihren Film versaue.«
»Tja. Und Harry reißt dir den Arsch auf, wenn du die Mannschaft vernachlässigst. So wie du spielst, stufen die dich fürs Turnier zum Low-Pointer runter. Das war's mit der Position als Star-Stürmer. Dann musst du sogar in einen defensiven Rugbystuhl wechseln und als Verteidiger antreten.«
»Ja, gut. Das kann nicht so schwer sein. Du kriegst das ja auch irgendwie hin.«
Nico überhört diese Degradierung seiner Leistung wohlwollend.
»Wenn ich Lara vergraule, weiß ich nicht, was ich machen soll. Was meinst du, wie oft ich in meinem Leben noch die
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