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Paul sucht eine Frau

Paul sucht eine Frau

Titel: Paul sucht eine Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Morawek
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bereits an einer Biertischgarnitur neben der Boxenanlage bequem gemacht haben. Lara hat den Oberkörper vornüber gebeugt und stützt sich mit den Händen an den Beinen.
    Sie holt tief Luft.
    »Geht es wieder?«
    Lara nickt.
    »Ich dachte, ihr wolltet gemütlich mit dem Rollstuhl über den Ring fahren ...«
    »Mit dem Rollstuhl? Wie kommst du da drauf?«
    »Manchmal ist der Ring doch für Inline-Skater geöffnet. Und beim Firmencup starten sogar Nordic Walker.«
    Ganz gemütlich. In dreißig Minuten einmal die Strecke umrunden. So hat sie sich das vorgestellt. Nicht in drei Minuten!
    »Aber warum sollen wir mit dem Rollstuhl fahren?«, sagt Paul. »Mit dem Rennwagen macht es viel mehr Spaß!«
    Was Männer unter Spaß verstehen, wird sie nie begreifen.
    Lara hebt ihre Kamera auf, die neben ihr auf dem Boden liegt. Dann gehen sie zu den anderen, die zusammensitzen und Bier trinken. Auch Harrys Frau sitzt dabei. Während ihr Mann die gesamte Runde mit Geschichten aus seiner Vergangenheit unterhält, widmet sie sich einem Kreuzworträtsel-Heft.
    »So, jetzt habt ihr meine neue Karre mal in Aktion gesehen«, sagt Harry. »War ganz schön Arbeit. Zum Glück kenne ich eine gute Tuningschmiede. Das Problem bei uns Rollstuhlfahrern ist schließlich, dass wir nur Automatikwagen fahren können. Wegen dem Handgas. Sonst hätte ich mir vielleicht gleich einen richtigen Rennwagen gekauft.«
    »Wie kannst du dir denn das alles leisten?«, fragt Lara irritiert.
    »Du denkst wohl, ich leb nur von der Pflegekasse? Ne, keine Angst«, sagt Harry. »Ich liege niemand auf der Tasche. Ich hab so meine Quellen – und ein gutes Händchen für Schnäppchen.«
    Was für Geldquellen das sind, erklärt Harry nicht und Lara traut sich nicht weiter nachzubohren. Es werden nicht gerade Mafia-Geschäfte sein. Vielleicht hat er einfach nur in eine reiche Familie eingeheiratet?
    »Trotz der Automatik«, fährt Harry fort, »das Baby hier hat jetzt 420 PS. Drehmoment 540 Newton-Meter. Für die Aerodynamik hab ich Schweller draufsetzen lassen. Und vorne den verchromten Frontgrill.«
    Wenn es nach Lara ginge, könnte Harry auch chinesisch reden. Mehr verstehen würde sie trotzdem nicht.
    »Langweilig«, sagt Nico. »Das kenn ich alles. Schon tausendmal im Training erzählt.«
    »So, so«, sagt Harry. »Und hab ich euch schon von meiner Zeit als Privatdetektiv erzählt?«
    Alle Anwesenden außer Lara nicken. Harry nimmt das nicht weiter wahr. Lara filmt ihn, als er weitererzählt.
    »Ich war der Beste. Bin nie aufgeflogen. Wer denkt auch, dass er von einem Krüppel verfolgt wird?«
    »Du hast wirklich im Rollstuhl als Privatdetektiv gearbeitet?«, fragt Lara.
    »Ja, was hätte ich denn tun sollen? Es hat fast zwanzig Jahre gedauert, bis die Pflegekasse meine Ansprüche anerkannt hat. Irgendwas musste ich ja arbeiten.«
    Aber ausgerechnet als Privatdetektiv? Langsam setzt Lara die Kamera auf dem Tisch ab und schaltet sie aus. An was für einen Haufen Verrückter ist sie hier geraten?
    Die Welt der Rollstuhlfahrer ist sonderbar. Wenn sie zusammensitzen, unterhalten sie sich ständig über ihre Krankheiten und was sie für einen Unfall hatten. So wie alte Menschen, die auch keine Grenze zur Privatsphäre in körperlichen Dingen kennen.
    Lara hat nach den Trainingseinheiten in der Sporthalle schon einige verrückte Unterhaltungen mitangehört. Aber Harry schießt mit seinem Autotuning und seinen Dirty Harry-Anekdoten den Vogel ab. Sitzt Harry eigentlich wegen eines Autounfalls im Rollstuhl? Das wäre dann wirklich makaber.
    »Hattest du auch 'ne Knarre?«, fragt Nico.
    »Klar. Die hatte ich mir griffbereit zwischen die Beine geklemmt.«
    Die Jungs lachen.
    »Und die Knarre, die hab ich immer noch. Die kann ich also auch zum Training mitnehmen, wenn ihr mich weiter mit euren Leistungen enttäuscht.«
    Als Harry das sagt, lacht er. Aber sein Blick ist so stechend, dass Lara sich nicht sicher ist, ob die Aussage als Scherz gemeint war. Paul und Nico ist ihr Lachen jedenfalls im Hals stecken geblieben.
     
    * * *
     
    Lara und Paul betreten seine Wohnung.
    »Danke fürs Hochbegleiten«, sagt Paul.
    Sie hilft ihm aus dem Pullover, entgegnet aber nichts.
    »Heute hast du bestimmt super Material bekommen, für deinen Film«, sagt er, um eine Unterhaltung anzustoßen.
    »Das kann ich alles nicht nehmen«, sagt Lara.
    »Wieso denn?«
    »Das glaubt mir kein Mensch. Die Leute wollen Emotionen sehen. Keine Rollstuhlfahrer, die sich wie kleine Jungs benehmen, wenn sie

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