Paul sucht eine Frau
keiner anderen Frau. Doch so simpel, ihr unangenehme Frage zu stellen, wie durch den Kamerasucher, war es noch nie.
»Ich habe gehört, dass ihr euch kennengelernt habt«, sagt Lara.
»Stimmt.«
Jetzt nicht von Gegenfragen aus der Ruhe bringen lassen. Er muss die Fragen stellen.
»Und wie ist er so?«
Lara muss einen Moment überlegen. Einen sehr langen Moment, wie Paul findet. Ist das schon ein wunder Punkt, den er aufgedeckt hat? Dass Lara nicht weiß, was sie an ihrem Freund gut findet. Ist es am Ende nur eine Zweckbeziehung aus Mangel an Alternativen? Oder interpretiert Paul gerade viel zu viel in diese Denkpause? Wenn er sich nur in menschlicher Psychologie genauso gut auskennen würde, wie mit dem Beziehungsgeflecht der Affenwelt!
»Hilfsbereit, nett, ziemlich clever«, sagt Lara schließlich. »Er ist sportlich, sieht gut aus ...«
»Was ist dein Ziel im Leben?«
Paul fällt ihr ins Wort und erhöht das Tempo der Befragung.
Doch Lara lässt sich noch nicht aus der Ruhe bringen. Sie lacht.
»Wart mal. Die Frage hast du von mir geklaut. Was denkst du?«
»Was dein Ziel im Leben ist?«
»Ja.«
Paul braucht nicht lange zu überlegen. Es bricht einfach aus ihm heraus.
»Du bist sehr ehrgeizig. Wie du das alles mit deinem Film angehst, so entschlossen – Hut ab. Aber du wirkst manchmal ein bisschen unsicher.«
»Ach ja?«
Paul will sie jetzt aus der Reserve locken. Will endlich und ein für alle Mal, die Fronten zwischen ihnen klären.
»Steht dein Freund eigentlich hinter deinem Filmprojekt?«
Lara zuckt zusammen. Nur kurz, dann fängt sie sich.
»Warum interessiert dich das?«
»Du hast einen Lebensentwurf«, sagt Paul. »Aber kann es sein, dass dein Freund einen anderen hat – und du nicht weißt, wie du darauf eine Zukunft aufbauen kannst?«
»So, so, Paul. Hältst du dich jetzt neuerdings für einen Psychologen?«
Sie lächelt schief.
Paul kommt gerade erst richtig in Fahrt. Er spürt ein Gefühl von Stärke in sich aufsteigen. Die Worte purzeln geradezu aus seinem Mund. So muss sich ein Alpha-Männchen beim Verteidigen seines Reviers fühlen.
»Dein Freund gibt dir vielleicht finanzielle Sicherheit, aber du weißt gar nicht, ob dir das reicht, Sicherheit. Du willst Kunst machen. Also musst du auch ins kalte Wasser springen.«
»So, so. Jetzt stellt er Theorien auf, der Psychologe.«
Sie steht auf.
»Ich glaub, das genügt für heute.«
Sie geht zur Kamera und schaltet sie ab.
Paul kann sich des mulmigen Gefühls nicht erwehren, dass er bei seiner Revierverteidigung auf die Schnauze gefallen ist. Vielleicht ist er zu weit gegangen. Wenn er nur besser darin wäre, Laras regungslosen Gesichtsausdruck zu deuten.
15
Geschäftiges Treiben im Vorraum der Sporthalle. Überall stapeln sich die Rollstühle und Sportstühle. Einzelteile liegen herum. Räder werden aufgepumpt. Bandagen werden angelegt. Ohrringe mit Klebeband gesichert.
Lara und Jenny heben zuerst gemeinsam Nico von seinem Rollstuhl in seinen Rugbystuhl, dann wiederholen sie dieselbe Prozedur mit Paul. Schließlich fahren Paul und Nico zum Training in die Halle. Jenny folgt ihnen. Lara nicht.
»Ich bin um acht wieder da, um dich abzuholen«, sagt sie.
»Hm. Ja«, sagt Paul.
Harry kommt angefahren und bleibt neben Paul und Nico stehen.
»Na. Was ist denn mit der los? Heute keine Kamera dabei? Die konnte es doch sonst nicht abwarten, unseren großen Stürmer-Star auf dem Feld in Szene zu setzen.«
Paul antwortet nichts. Er greift stattdessen zu der Tape-Rolle auf seinem Schoss und wickelt Klebestreifen um seine Handschuhe, um sie festzuzurren.
Nico kommt zu Harry und beugt sich zu ihm rüber.
»Dicke Luft«, flüstert er.
»Oh! Na, vielleicht kann unser Filmstar sich dann endlich wieder aufs Training konzentrieren.«
Seit er Lara gestern auf ihren Freund angesprochen hat, verhält sie sich ihm gegenüber seltsam, denkt Paul, als sie sich mit ein paar Runden um das Spielfeld aufwärmen. Sie ist viel distanzierter als sonst. Das kann nur eins bedeuten – er lag mit seiner Einschätzung ihrer Lebensumstände, richtig. Oder etwa nicht?
Das fragt sich Paul, als sie mit Fang- und Wurfübungen beginnen. Beim Trainieren des Ballaufhebens vom Hallenboden in voller Fahrt, denkt Paul über Laras Gesichtsausdruck nach, als sie heute Morgen zu ihm kam. Die Erinnerung daran ist wenig erbaulich. Weder am Morgen noch am Nachmittag hat sie mehr als das Nötigste mit ihm geredet. Eigentlich hat sie, als sie ihn morgens im
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