Paul sucht eine Frau
lauter alten Leuten rumhängen? Wir sind nicht mehr in den Siebzigern.«
Felix wirkt nicht überzeugt.
»Was erwartet mich denn draußen? Die Leute, die ich von früher kenne, die wollen mich nicht als Krüppel sehen. Was meint ihr, was meine alten Fußballkumpels mit mir anfangen sollen, wenn ich so ankomme?«
»Na, achso!«, ruft Nico. »Verstehe. Deswegen haben wir doch den Behinderten-Sport. Los Jenny, die Broschüre. Paul und ich spielen Rollstuhl-Rugby, da wollten wir dich auch mal mitnehmen. Also zum Zusehen. Ich wusste ja nicht, dass du im E-Rolli ...«
»Und die Mädels?«, Felix fällt Nico ins Wort. »Die machen sicher Luftsprünge, wenn sie euch sehen.«
»Na ja. Also ...«
»Na, mal ehrlich, Jungs. Wie läuft es denn so bei euch beiden und den Mädels? Da draußen, in eurer Super-Welt.«
Nico sieht zu Paul, wie um zu fragen, was er jetzt sagen soll. Aber mit dem Thema Beziehungen können Nico und Felix ihm gerade gestohlen bleiben.
»Also. So schlimm ist es auch wieder nicht«, sagt Nico schließlich. »Wir sind echte Checker. Paul zum Beispiel. Du musst dir mal die Assistentin ansehen, die sich um ihn kümmert. Ein heißer Feger. Na gut, sie hat einen Freund, aber ...«
»Ist schon gut, Jungs. Ich bleibe hier.«
Wie um Felix' letzte Worte zu unterstreichen, blitzt und donnert es vor dem Fenster. Nico zuckt unwillkürlich zusammen.
* * *
Jenny und Nico setzen Paul bei ihm zu Hause ab und fahren dann weiter. Paul fährt mit dem Aufzug in den dritten Stock und betritt seine Wohnung. Er fühlt sich müde und geht erst in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen.
Vielleicht liegt seine Erschöpfung gar nicht an der Nummer mit Felix. Seit drei Tagen, seit er weiß, dass Lara einen Freund hat, fühlt er sich komplett antriebslos. Und was für ein Freund das ist.
Wäre Paul ein Held, würde er jetzt möglicherweise etwas unternehmen. Zum Beispiel Lara seine Gefühle offenbaren, sie auf Händen tragen und ihr unmissverständlich klar machen, dass nur er sie glücklich machen kann. Oder er könnte ihren Freund wenigstens zum Duell herausfordern. Doch er ist kein Held.
Es ist sowieso Blödsinn, er kann nicht einfach eine Beziehung zerstören. Nur: Ist Lara wirklich glücklich mit dem Kerl? Warum hat sie ihren Freund nie erwähnt? Hat sie etwa Zeit mit ihm verbracht, als der Typ seinen freien Tag hatte? Nein. Lara saß stattdessen allein im Medienforum und hat ihren Film geschnitten. Mag sein, dass die Dokumentation ihr wichtiger ist als ihr Freund. Das wäre ein Ansatzpunkt, um einen Plan zu entwickeln, ihr Herz zu gewinnen. Aber wie genau kann er das anstellen?
* * *
Lara führt Herrn Richter durch das Treppenhaus. Auf den Aufzug zu warten, dafür ist sie zu ungeduldig. Außerdem will sie sich fit halten. Lara hat ihre Kamera in der linken Hand und Pauls Wohnungsschlüssel in der rechten.
»Ich bin sehr gespannt zu sehen, wie Sie bei Ihren Dreharbeiten vorgehen«, sagt Herr Richter. Er lächelt sie an.
Hoffentlich macht er sich keine allzu großen Hoffnungen, etwas Besonderes geboten zu bekommen. Die meisten Menschen stellen sich Filmaufnahmen als etwas Glamouröses vor. Liegt wahrscheinlich daran, dass die meisten Menschen nie an einem Filmset dabei waren. Vor allem nicht beim Dreh eines Dokumentarfilms, das ist wirklich nichts Außergewöhnliches. Sie stellt einfach ihre Kamera auf, und filmt das ab, was sowieso passiert.
»Na ja, so aufregend ist das nicht. Außerdem habe ich noch nebenher meine normalen Assistenzaufgaben zu erledigen.«
»Och, seien Sie nicht bescheiden. Film, das ist doch Kunst. Also sind Sie eine Künstlerin. Wissen Sie, dass ich sofort davon überzeugt war, dass Sie mit Ihrem Film Erfolg haben werden? Schon als ich Sie das erste Mal in meinem Büro gesehen habe. Meine Frau hat immer gesagt – also meine Ex-Frau meine ich – sie sagte immer, wenn man sich etwas fest vornimmt, schafft man das auch.«
»Wir sind da«, sagt Lara und steckt den Schlüssel in die Wohnungstür, froh den Redeschwall von Herrn Richter ausbremsen zu können. Lara will die Tür aufschieben, doch der MDK-Mitarbeiter drängt sie zur Seite. Wie es aussieht, will er ihr unbedingt die Tür aufhalten. Das wäre ja ganz nett, wenn er ihr dabei nicht seinen Ellenbogen in ihre Rippen gehauen hätte.
»Oh, Entschuldigung.«
»Nichts passiert.«
Er strahlt über beide Ohren. »Nach Ihnen.«
Lara hält sich den Bauch und lächelt tapfer.
Paul hat das Wasser im Kaffeeautomaten
Weitere Kostenlose Bücher