Paul sucht eine Frau
bewundert seinen Freund für dessen Ausdauer. Diese Kellnerin geht Nico nicht mehr aus dem Kopf. Und er kämpft weiter gegen Windmühlen, um sie zu beeindrucken.
Vielleicht hat er Nico falsch eingeschätzt. Ist Nico wirklich der großmäulige Weiberheld, als der er sich so gerne inszeniert? Oder steckt hinter der Fassade des Latin-Lovers, der nie um einen Spruch verlegen ist, doch ein Romantiker? Sonst würde er sich nicht so ins Zeug legen für ein Mädchen, mit dem er nur einmal essen war.
Paul kann das gut verstehen. Wenn er verliebt ist, ist er mit Haut und Haaren der Frau verfallen. Bei Lisa war es genauso. Bis sie ihn fallen ließ. Und deshalb fühlt er sich jetzt, wie zweimal durch den Fleischwolf gedreht. »Sandra«, »Sandra«, »Sandra«, hat Nico in einem Fort auf der Herfahrt gesagt. Für Paul gibt es nur »Lara«, »Lara«, »Lara«. Nur dass Lara ihn nicht sehen will, und er könnte kotzen.
Paul rollt zum Fenster und blickt, so wie Felix, auf das trostlose Panorama. Auf das Gespräch von Felix und Nico kann Paul sich nur schwer konzentrieren.
»Ich komm nicht mit«, sagt Felix.
»Aber klar«, sagt Nico. »Du wirst sehen, wie spannend so ein Rugby-Turnier ist. Da kommst du auf andere Gedanken. Danach willst du gar nicht mehr zurück in die Reha. Versprochen.«
Paul dreht sich um. Er deutet Jenny an, dass er in den Flur geht. Sie folgt ihm.
Die beiden holen sich am öffentlichen Kaffeeautomaten je eine Tasse und setzen sich in den Gang vor Felix' Zimmer.
»Lad sie doch zum Turnier ein«, sagt Jenny.
»Sie will mich nicht mehr sehen.«
»Ich weiß. Aber andererseits muss sie ihren Film fertigbekommen. Erklär ihr, was für geile Aufnahmen sie sich beim Turnier entgehen lässt. Das könnte ein gutes Finale für die Doku sein.«
»Hm.« Eigentlich keine schlechte Idee.
In diesem Moment kommt Nico aus der Zimmertür und nähert sich ihnen mit hängendem Kopf.
»Leute, ihr müsst mir helfen. Ich kann ihn nicht überreden, dass er mit uns zum Turnier fährt.«
»Und was sollen wir da machen?«
»Wir nehmen ihn einfach mit«, sagt Nico.
Paul weiß nicht, was er antworten soll.
»Äh, du meinst, wir sollen ihn entführen?«
»Sozusagen. Hilfe zur Selbsthilfe.«
»Du bist verrückt!«
»Quatsch, wir packen ihn ins Auto und nehmen ihn mit. Platz genug haben wir. Und im Hotel regeln wir das irgendwie mit dem Zimmer. Nachher wird er uns danken, dass er endlich mal ein bisschen Auslauf bekommen hat, du wirst schon sehen.«
»Die Alte will nichts von dir, raffst du das denn nicht«, sagt Jenny. Ihr Tonfall ist ungewohnt schroff.
»Quatsch. Ich bin ganz nah dran. Der Schlüssel ist ihr Freund.«
Nico bewegt sich auf Paul zu und legt ihm eine Hand auf die Schulter.
»Na, was sagst du? Du bist doch mein bester Kumpel? Und du weißt, wie es ist, um eine Frau zu kämpfen. Komm schon.«
»Alter«, sagt Paul. Ob er bereuen wird, was er gleich sagen wird? »Aber dann rufst du Lara an und erklärst ihr, dass sie zum Turnier kommen muss.«
»Natürlich.«
* * *
Sie postieren sich in der Eingangshalle, hinter einer Säule und einem großen Farn. Irgendwann muss Felix aus seinem Zimmer kommen. Behauptet zumindest Nico.
»Das ist eine Reha und kein Kurhotel. Da gibt es feste Essenzeiten im Speisesaal und für die Physiotherapie in der Sporthalle.«
Sie müssen etwa eine Stunde warten. Dann wird Felix von einer Pflegerin in die Halle geschoben.
»Mist«, murmelt Nico. »Er ist nicht allein.«
Natürlich nicht, denkt Paul. Felix ist auf Assistenz angewiesen. Warum soll er ohne Begleitung durch die Hallen düsen? Bescheuerter Plan.
Plötzlich hält die Begleiterin an der Rezeption an und geht zu ihrer Kollegin, die hinter dem Tresen steht.
»Was macht sie denn da?«
»Weiß nicht. Vielleicht braucht sie ein paar Unterlagen.«
Tatsächlich drehen sich die beiden Angestellten zu einem großen Aktenschrank auf der Rückseite der Rezeption.
»Und jetzt?«, fragt Paul.
»Ich weiß auch nicht«, sagt Nico.
»Na, los«, sagt Jenny und geht in Richtung Anmeldung. Als sie sieht, dass die beiden Jungs ihr nicht folgen, winkt sie ihnen zu.
»Kommt schon, ihr Memmen. War doch nicht meine Idee.«
Jenny packt Felix' Rollstuhl. Sie atmet tief ein und drückt sich mit ihrem gesamten Gewicht gegen das Gerät.
Wie viel wiegt so ein E-Rollstuhl eigentlich? Bestimmt zwanzig Kilo, denkt Paul. Aber das Ungetüm bewegt sich. Wow! Es zahlt sich aus, dass Jenny einige Jahre Erfahrung bei der Betreuung von
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