Paul sucht eine Frau
einer Weile zurück zum Tisch geht, sieht er, dass sich mittlerweile auch Felix' Cocktailglas auf wundersame Weise geleert hat. Felix ist im Gespräch mit ein paar Jungs aus einer anderen Rugbymannschaft. Jenny hält Felix ein neues Glas hin. Er trinkt. Irgendwann lädt Jenny Felix zum Tanzen ein. Erst murrt er, doch dann bröckelt seine Verteidigung. Jenny steht auf und stellt alle Steckverbindungen an seinem E-Rollstuhl wieder her. Sie geht in die Mitte des Raums. Felix folgt ihr.
Paul bleibt mit den anderen Jungs zurück, Mitglieder der Bulldozer aus Belgien. Er kennt sie vom Sehen. Die Stimmung ist gut. Geschichten von vergangen Turnieren werden erzählt. Von missglückten Turnier-Liebschaften und gelungenen Abstürzen. Der Klang von gebrochenem Englisch erfüllt den Raum. Paul ist mittlerweile auf Bier umgestiegen.
Zum ersten Mal seit Tagen ist seine Welt wieder bunt. Er lacht, als einer der Typen an seinem Tisch erzählt, wie er letztes Jahr am Morgen nach der großen Turnierpartie in einem fremden Bett aufgewacht ist. Paul nimmt noch einen Schluck. Wer braucht eine Freundin, solange er wilde Partys feiern kann!
23
Am nächsten Morgen erwacht Paul und starrt an die Decke. Sein Kopf dröhnt, als er ihn zur Seite dreht und sich umsieht. Okay. Es ist sein Hotelzimmer. Das ist schon mal gut.
Wie ist er bloß hier hergekommen? Keine Ahnung. Vorsichtig stützt er sich auf seinen Armen ab und erhebt sich. Irgendwie dreht sich immer noch das halbe Zimmer. Ob andere Sportler auch so rauschende Feste feiern? Oder ist das ein typisches Problem im Rollstuhl-Rugby? Er weiß es nicht. Alles, was er weiß, ist, dass er in fünf Stunden ein Spiel hat.
Beim Gedanken daran dreht sich sein Magen um.
Es dauert eine Stunde, bis Paul sich soweit zurechtgemacht hat, dass er einigermaßen aussieht wie ein normaler Mensch. Als er in den Frühstückssaal kommt, kann er es kaum glauben. Nico sitzt bereits an einem der Tische. Wenngleich er eher den Eindruck eines Zombies auf Beruhigungsmittel vermittelt, als den eines Hochleistungssportlers im Training.
Als er Paul sieht, hebt Nico die Hand ein kleines Stück, was wohl eine Begrüßung darstellen soll. Paul schleppt sich zum Frühstücksbüffet. Wichtig ist es, den Kaffeepegel auf Normalstand zu bringen, bevor er sich menschlichen Wesen nähert.
Kaum ist Paul an der Theke angekommen, wird er unsanft zur Seite geschoben. Drei bullige Typen in Rollstühlen drücken sich an ihm vorbei und laden sich ihre Teller mit je einem Berg Rührei voll. Paul muss nicht erst einen Blick auf ihre Trikots werfen, um zu erkennen, wer sie sind. Kirchberger Knochenbrecher . Der neue Erzfeind.
»Die schon wieder«, murmelt Nico, als sich Paul neben ihn setzt. »Haben erst seit anderthalb Jahren eine eigene Mannschaft, und führen sich auf, als hätten sie den Sport erfunden.«
»Na, ja«, sagt Paul. »Immerhin haben sie es letztes Jahr sofort bis in Finale geschafft. Und uns haben sie auch zweimal richtig aufgemischt. Aber das weißt du ja selbst.«
»Dass die sich immer noch trauen, Regionalliga zu spielen!«
»Den Jungs geht es eben nicht wie den anderen Mannschaften in der Regionalliga um den Spaß an der Bewegung. Die wollen unbedingt gewinnen. Und das klappt als Neueinsteiger in der untersten Gruppe natürlich viel leichter.«
»Dumm nur, dass bei uns in der Mannschaft auch einer gewinnen will.«
Paul antwortet nichts. An Harry darf er jetzt auf keinen Fall denken, sonst vergeht ihm der Appetit.
Die Jungs von der gegnerischen Mannschaft haben ihre Teller mittlerweile vollgeladen und kommen an ihrem Tisch vorbei. Die Drei sind richtige Paradebeispiele für die Knochenbrecher . Dicke Arme, volltätowiert und die Schädel kahlrasiert. Wo finden die nur immer solche Typen?
»Na, Pussy«, sagt der eine Knochenbrecher , als er Paul sieht. »Schon bereit fürs Turnier?«
»Lass doch den armen Bubi«, sagt sein Kollege. »Siehst du nicht, dass er noch ganz verschlafen ist? Der hat heute Nacht bestimmt wieder mit den anderen Schwuletten aus seinem Team Sackhüpfen gespielt.«
Alle drei lachen.
»Bis später, Schatzi«, sagt der dritte, als sie an Paul vorbeikommen.
* * *
Das Bernd-Best-Turnier ist das größte Rollstuhl-Rugby-Turnier der Welt. Über 50 Mannschaften aus Europa und dem Rest der Welt treten in vier Ligen an mehreren Spielstätten gegeneinander an, die über ganz Köln verteilt sind. Pauls Mannschaft tritt in der Basic League – der untersten Liga – an und muss
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