Paul sucht eine Frau
die ersten Spiele in der Halle C bestreiten, der Reitweg Sporthalle in Deutz. Schon am Morgen ist Harry aufgebrochen, um das Team und die einzelnen Spieler als Mannschaftsvertreter für das Turnier einzuchecken. Als er zurück ins Hotel kommt, um die anderen einzusammeln, ist er auf hundertachtzig.
»Habt ihr das gesehen! Die Knochenbrecher spielen immer noch Basic League. Unfassbar. Die wollen unseren Pokal klauen!«
Die anderen Spieler versuchen Harry zu beruhigen und versprechen, ihr Bestes zu geben, aber keine Chance. Harry tobt. Sie müssen fast eine halbe Stunde in der Lobby auf Nico warten, und so hat Harry genug Zeit, sich in Rage zu reden.
Nachdem sich alle Teammitglieder und ihre Assistenten auf die vorhandenen Autos verteilt haben, geht es los. Als Paul, Jenny, Felix und Nico in den Vorraum der Halle kommen, sehen sie, dass Harry am Aushang mit dem Spielplan steht.
»Und?«, fragt Nico. »Wie sieht's aus?«
»Schlecht«, sagt Harry, mit solch einer Inbrunst, dass Nico und Paul beide unwillkürlich zusammenfahren.
»Die Knochenbrecher haben bei ihrem ersten Spiel schon wieder alle platt gemacht. Wenn wir Pech haben, werden wir unseren Erzfeinden bereits im Halbfinale in die Augen blicken müssen.«
»Sofern wir ins Halbfinale kommen«, sagt Paul.
»Natürlich kommen wir ins Halbfinale!«
Harry kommt auf Paul zu. Dann spricht er leise weiter: »Und wehe, wenn nicht.«
* * *
Das erste Spiel des Tages gewinnt die Mannschaft einigermaßen knapp, mit 38:33, aber doch recht souverän. Paul fängt sogar ein paar Bälle und macht ein paar Tore. Oft genug lässt er sich aber ausspielen. Harry ist immer sofort hinter ihm und schreit ihn an.
Mittags ist das zweite Spiel angesetzt. Das läuft anfangs ziemlich gut. Nach dem ersten Viertel geht Pauls Team mit 10:4 in Führung. Im zweiten Viertel schmilzt der Vorsprung dahin. Zur Halbzeit sind es nur noch 15:12 Tore. Die Mannschaft kommt in einem großen Kreis zur taktischen Besprechung zusammen. Die Spieler sprühen sich mit Wasser aus Sprühflaschen aus der Gartenbau-Abteilung ein. Die Assistenten rücken die Handschuhe und Bandagen zurecht. Harry hält eine Ansprache, die in erster Linie aus Beschuldigungen und Beschimpfungen besteht.
»Und du Paul«, sagt er. »Wenn du nicht gleich hundertprozent Leistung bringst, dann wechsel ich dich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag aus.«
Geh mir nicht auf die Nerven, denkt Paul. Sagt es aber nicht. Sollen sie ihm doch alle den Buckel runterrutschen. Er hat größere Sorgen: Warum ist Lara nicht aufgetaucht? Nico hatte ihm versichert, dass er sie angerufen hat. Und dass Lara gesagt hat, dass sie vorbeikommen würde.
Drei Minuten später ist Paul wieder auf dem Spielfeld und sein Herz geht auf. Als er zum Spielfeldrand sieht, ist da tatsächlich Lara, die gerade die Halle betritt und sich auf eine der Bänke setzt. Paul lächelt sie an. Winkt vorsichtig. Lara beachtet ihn nicht, sie ist damit beschäftigt, ihre Kamera aufzubauen.
Sie wird mich schon beachten, denkt Paul. Ich werde ihr die Show ihres Lebens liefern. Sie wird mich erkennen, wie ich bin. Als wahres Alpha-Männchen!
Als Herr Richter zu Lara kommt und sich neben sie setzt, gefriert Pauls Lächeln.
Den nächsten Ball, der auf ihn zugeflogen kommt, lässt Paul absichtlich fallen. Herr Richter hat ihn noch nie live bei einem Rugbyspiel gesehen. Und es ist besser, wenn der MDK-Mitarbeiter auch heute nicht herausfindet, was Paul auf dem Feld leisten kann.
Harry reagiert sofort. Er wechselt Paul aus. Am Ende gewinnt Pauls Mannschaft mit einem einzigen Tor Vorsprung. 40:39.
Gleich nach dem Schlusspfiff und dem obligatorischen Abklatschen mit den Spielern der gegnerischen Mannschaft verlässt Paul die Halle. Bloß weg, bevor Harry ihn in die Finger bekommen kann. Im Flur hält er abrupt an. Lara befindet sich etwa fünfzig Meter von ihm entfernt den Gang entlang. Allein. Sie geht in Richtung der Toiletten.
Paul folgt ihr.
Er hat sie schnell eingeholt und beschreibt noch einen Halbkreis, um von der Seite auf sie zuzufahren – so als würde er ganz zufällig mit ihr zusammentreffen.
Als sie ihn sieht, bleibt sie stehen.
»Hi«, sagt Paul.
»Hallo.«
Beide schweigen sich an.
Warum hat er sich keine große Rede für diesen Moment zurechtgelegt? Wobei – wahrscheinlich würden ihm die Worte ihm Hals stecken bleiben, selbst wenn er Tage lang eine Erklärung auswendig gelernt hätte.
Er macht den Mund auf. Jetzt geht es darum, spontan zu sein. Einmal
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