Paula geht
auf der Straße.“ Er schaute die beiden Frauen unsicher an. „Also natürlich nur, wenn ich euch alleine lassen kann.“
Da mussten alle lachen und Bene lief erleichtert davon.
Der Zeiger der Küchenuhr lief schneller, während die beiden Frauen sich beschnupperten. Je länger Paula mit Carmen redete, desto mehr wuchs ihre Zuversicht, dass doch noch alles gut werden würde mit ihr und Sven. So ein Auf und Ab der Gefühle hatte sie noch nie erlebt. Das war echt anstrengend. Und die innere Liste an Dingen, die sie Sven an den Kopf werfen würde, wenn er jemals wieder bei ihr aufkreuzte, wuchs mit jedem Tag, den er weg war.
„Kann ich dir Bene heute nochmal entführen, ich würde ihn auch pünktlich um sieben zurückbringen.“
„Klar, was habt ihr vor?“, fragte Carmen neugierig.
„Was Sven kann, kann ich schon lange“, erwiderte Paula nur geheimnisvoll.
Eine halbe Stunde später gab Paula Bene den Schlüssel zum Aufschließen der Werkstatt. Sogar zwei Werkstattschlüssel waren jetzt rechtmäßig in ihrem Besitz. Sie hatte den Schuppen zu einem lächerlich geringen Betrag samt Inhalt gepachtet und mit Frau Hedwig vereinbart, dass sie erst einmal nicht viel verändern würde. Aber Saubermachen und ein wenig Umräumen waren erlaubt.
Bene bekam den Mund gar nicht wieder zu und hüpfte einmal quer durch die Werkstatt. „Paula, das ist so cool hier.“ Gleich hatte er die Schnitzmesser entdeckt und zog ein Stück helles Holz aus dem Holzlager. „Schau mal, echtes Lindenholz. Darf ich was schnitzen für Papa?“
Paula lächelte. „Eigentlich dachte ich, du hilft mir aufräumen?“
„Aber hier ist doch alles tipptopp, was muss man denn hier aufräumen?“
Paula streifte mit dem Finger über die Werkbank und zeigte ihm den dicken, staubigen Belag.
„Aber das wird doch sowieso wieder schmutzig, wenn wir hier arbeiten.“
Man beachte das wir , dachte Paula. Kinder konnten so schön selbstverständlich sein. Aber Paula freute sich über Benes Reaktion, denn daran konnte sie sehen, dass er sich bereits heimisch fühlte.
Feierlich überreichte sie ihm den Zweitschlüssel für die Werkstatt. „Pass gut auf ihn auf, ja?“
Bene sah sie mit ungläubigen Augen an und nahm den Schlüssel wie einen großen Schatz entgegen.
Lächelnd machte sie sich an die Arbeit, mit einem feuchten Tuch alles abzuwischen und dabei ein wenig aufzuräumen. Nach einer Stunde hatte sie etwa drei Quadratmeter geschafft und war fast gewillt, Bene recht zu geben. Ob sich das Saubermachen lohnte? Oder war es nicht sogar gemütlicher so. Verschwitzt ließ sie sich auf einem Hocker nieder und beobachtete wie der Staub im schrägen Licht der Abendsonne tanzte. Schon hatte ihr Bene ein Schnitzmesser in die Hand gedrückt und ehe sie sich’s versah, war sie dabei, einen Pilz zu schnitzen. Warum gerade einen Pilz? Ja, warum auch nicht?
Kapitel 30
„Bedauerlicherweise müssen wir Ihnen mitteilen, dass Sie die schriftliche Prüfung zum Heilpraktiker nicht bestanden haben. Erforderlich waren 80 Prozent richtige Antworten bei 50 Fragen. Sie haben 74 Prozent richtig gelöst. Eine Teilnahme an der mündlichen Prüfung ist dadurch nicht möglich.“
Tja, das war‘s dann wohl. Paula ließ den Brief sinken. Gut, dass sie den Brief erst nachmittags gefunden hatte, sonst hätte sie sich schon den Vormittag versaut.
Da der Lösungsschlüssel bereits im Internet veröffentlich worden war und Paula den Fragebogen mit nach Hause nehmen durfte, weil sie nur den Lösungsbogen hatte abgeben müssen, hatte sie schon geahnt, dass es knapp werden würde. Aber so knapp daneben, das war wirklich superärgerlich!
Einiges war bestimmt auf ihre Tagesform zurückzuführen gewesen. Sie hatte schlecht geschlafen. Als sie morgens um neun Uhr beim Gesundheitsamt Neubrandenburg ankam, fühlte sie sich hundeelend. Dennoch wollte sie es schaffen. Ihr ganzes Leben der letzten Wochen und Monate war auf diese Prüfung ausgerichtet gewesen.
Aus Gesprächen ihrer Mitprüflinge hatte sie aufgeschnappt, dass diese sich oft schon drei Jahre vorbereitet hatten, allerdings meist berufsbegleitend. Sie war ja quasi Vollzeitlernende gewesen, wenn man von der Kleinigkeit, ein altes Haus zu renovieren und irgendwie den Lebensunterhalt zu verdienen, absah.
So ein verfluchter Mist! Sie drückte die Hände gegen die Augen. Nicht schon wieder. So viel wie im letzten Jahr hatte sie in ihrem ganzen restlichen Leben nicht geweint. Jetzt hätte sie wirklich jemand brauchen
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