Paula Kussmaul laesst nicht locker
passieren.« Und nachdenklich schaute sie einen nach dem anderen an.
An diesem Tag ließ Paula Enno nach dem Unterricht nicht einfach fortlaufen. Sie holte ihn ein und hielt ihn fest. Dabei wusste sie gar nicht, was sie von ihm wollte. Sie fand nur, jetzt durfte er nicht einfach davonlaufen.
Erst starrte Enno sie nur an, dann boxte er ihr plötzlich in den Bauch.
»Lass mich in Ruhe!«, schrie er sie an. »Lasst mich alle in Ruhe!«
Und er stürzte davon, als wäre die ganze Schule hinter ihm her.
Zehn Augen
Es war schon fast Abend, als es plötzlich bei Kussmauls klingelte. Die Mutter hatte mal wieder Spätdienst, Katja, Jenny, Paula und Linus waren allein zu Haus. Linus hatte Paula gerade aus dem Schullesebuch vorgelesen und war von ihr sehr gelobt worden. Obwohl er ja eigentlich furchtbar herumgestottert hatte. Aber wie sagte Frau Stein immer: Lob ermutigt, Tadel drückt nieder.
Jenny ging zur Tür – und als sie in die Küche zurückkam, brachte sie Herrn und Frau Fühmann mit.
»Entschuldigt bitte die Störung«, sagte Herr Fühmann. »Wir hätten nur gern mit Paula gesprochen. Enno ... er muss am Nachmittag fortgegangen sein. Und nun regnet es draußen in Strömen und er ist immer noch nicht zurück.« Hoffnungsvoll blickte er Paula an. »Weißt du vielleicht, wo er sein könnte?«
Paula schüttelte nur erschrocken den Kopf.
»Ist denn wieder irgendwas passiert?«, fragte Ennos Mutter ganz aufgeregt. »Ich meine, in der Schule? Oder auf dem Nachhauseweg? Er war heute Mittag noch komischer als sonst.«
Da musste Paula natürlich von Sascha erzählen und Ennos Eltern wurden ganz blass. Katja, die bisher nur stumm zugehört hatte, spielte die Erwachsene und bat Ennos Eltern, doch erst mal am Küchentisch Platz zu nehmen. Herr und Frau Fühmann setzten sich und dann wurde überlegt: Wo konnte Enno sein? Er konnte doch bei diesem Regen nicht in der Stadt herumspazieren.
Als niemand eine Antwort fand, schüttelte Ennos Mutter nur noch ratlos den Kopf. »Wie kommt das bloß alles? Immer diese Prügeleien und Angriffe, einer gegen den anderen. Enno schlägt sich doch gar nicht gern. Es tut ihm selber weh, wenn er anderen wehtun muss. Was hat ihn nur so wütend gemacht?«
Paula senkte den Kopf. Dass Enno ihr in den Bauch geboxt hatte, erzählte sie lieber nicht. Wozu denn? War ja so schon alles schlimm genug.
»Wo könnten wir ihn denn suchen?«, fragte Herr Fühmann. »Enno kennt die Stadt ja noch gar nicht richtig, wo soll er sich denn da verkriechen?«
»Vielleicht ist er gar nicht weit weg«, vermutete Katja. »Vielleicht hat er sich nur irgendwo untergestellt und traut sich nicht nach Hause.«
Und Jenny fragte gleich: »Sollen wir Ihnen suchen helfen? Wir kennen uns hier doch viel besser aus. Vielleicht finden wir ihn.«
»Das wäre eine große Hilfe.« Frau Fühmann lächelte dankbar. »Acht Augen sehen mehr als vier.«
»Zehn Augen«, verbesserte Paula sie sofort. Sie würde doch nicht zu Hause bleiben, wenn es galt, Enno zu suchen.
Frau Fühmann kuckte Linus an. »Aber irgendwer muss doch bei dem Kleinen bleiben.«
Es war gut, dass sie das gesagt hatte. Linus hatte erst gar keine Lust gehabt, allein zu Hause zu bleiben. Das hatte Paula ihm deutlich ansehen können. Jetzt war er empört. Er – ein Kleiner? Natürlich konnte er allein zu Hause bleiben. Er war ja ganz oft allein zu Hause.
»Dann üb noch ein bisschen Lesen«, bestimmte Katja. »So toll war das vorhin noch nicht.«
Linus grummelte etwas vor sich hin, dann nahm er sein Buch und verschwand. Und Paula sprang auf, um sich Stiefel und Regenjacke anzuziehen. Nur wenig später hastete sie hinter Herrn und Frau Fühmann und Katja und Jenny, die beide schon ihre Regenschirme bereithielten, her.
Auch Herr und Frau Fühmann hatten sich erst noch Schirme aus ihrer Wohnung holen müssen. Aber ihre Hoffnung, dass Enno inzwischen vielleicht doch schon zurück war, wurde enttäuscht. Sie beratschlagten noch mal kurz, dann wurde beschlossen, getrennt zu suchen. Jeder sollte ein paar ganz bestimmte Straßen durchstreifen und Paula wurden die ganz in der Nähe zugeteilt. Aufgeregt lief sie durch den strömenden Regen. Sie wollte so gern, dass sie Enno fand. Dann könnte sie ihm, bevor seine Eltern ihn in ihre Arme nahmen, noch sagen, dass sie schon über das mit Sascha Bescheid wussten. Damit er nicht erst lange herum- schwindelte.
Sie spähte in jede Haustürnische und in jede Toreinfahrt hinein. Um jede Litfaßsäule ging sie herum, hinter
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