Paula Kussmaul laesst nicht locker
auch gar nicht um Sascha. Wie es um Sascha stand, würde sie morgen in der Schule erfahren. Im Moment ging es ganz allein um Enno.
Weil sie aber nicht wusste, wo sie noch suchen sollte, schlug sie den Heimweg ein. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass vielleicht Herr oder Frau Fühmann, Katja oder Jenny Enno gefunden hatte. Dieser Gedanke ermunterte sie. Gleich lief sie wieder etwas schneller, trapste in möglichst viele Pfützen und redete sich ein, sich vielleicht ganz umsonst Sorgen gemacht zu haben. Während sie hier allmählich zum Wasserfrosch wurde, saß Enno vielleicht schon zu Hause und trällerte seinem Manolito was vor.
Sie malte sich das gerade aus, als sie auf einmal in der Ferne einen Jungen vor sich sah, der keine Regenjacke anhatte und keinen Schirm bei sich trug und es offensichtlich trotz des Regens nicht eilig hatte. Er trödelte vor sich hin, als scheue er sich davor, nach Hause zu kommen.
War das nicht Enno?
Sie wurde noch etwas schneller, der Junge bemerkte sie, erschrak und rannte plötzlich ebenfalls los.
»Enno!«, schrie Paula. »Enno! Bleib doch stehen!«
Der Junge aber lief nur noch hastiger von ihr fort.
Da legte Paula ein paar Kilo Wut in ihren Spurt. Wer hatte denn die längeren Beine, Enno oder sie? Es dauerte nicht lange und sie hatte den ganz und gar durchnässten Jungen eingeholt. Erschrocken drückte er sich in eine Haustürnische. »Was willst du denn von mir?«
Der Junge war nicht Enno. Er hatte nur in etwa seine Figur, ging aber erst in die 3. Klasse. Paula kannte ihn vom Schulhof.
Ärgerlich fuhr sie ihn an. »Was läufst du denn mitten durch den Regen? Hast du nichts Besseres zu tun?«
»Ich war bei meiner Oma«, antwortete der Junge, als müsste er sich dafür entschuldigen. »Und jetzt gehe ich nach Hause. Und das bisschen Regen ist doch gar nicht schlimm.«
Paula musste sich das Lachen verkneifen. Und das trotz ihrer Enttäuschung. »Dann beeil dich wenigstens. Sonst erkältest du dich noch.«
Der Junge kuckte, als sei Paula nicht ganz richtig im Kopf. Wie sprach die überhaupt mit ihm? Ging in die 4. und spielte sich auf wie eine Erwachsene! Aber er sagte nichts mehr, flitzte nur weiter durch den Regen.
»Schneller!«, rief Paula ihm noch nach.
Da drehte er sich um und zeigte ihr die Faust. Jetzt war er weit genug weg, jetzt konnte er frech werden.
Katja und Jenny waren schon zu Hause. Sie hatten Enno auch nicht gefunden. Nur wenig später kamen nacheinander Herr und Frau Fühmann. Auch ihre Suche war ergebnislos geblieben.
Wenn Enno nicht noch in dieser Nacht ganz von selbst heimkomme, sagte Frau Fühmann, würden sie am Morgen die Polizei einschalten. Sie habe schon mit der Wache telefoniert. Eine Nacht, so habe der Polizist dort zu ihr gesagt, müssten sie mindestens abwarten. Kinder, die mal ein paar Stunden später nach Hause kommen, gebe es schließlich jede Menge. Wenn man da immer gleich eine Suchaktion starten sollte, hätte die Polizei viel zu tun.
»Ich schaff mir mal keine Kinder an«, sagte Katja, als Herr und Frau Fühmann wieder gegangen waren. »Mit so kleinen Biestern hat man nur Ärger.«
Jenny war ähnlicher Ansicht, Linus hingegen fand das ungerecht. Was Katja und Jenny sagten, bedeutete ja, dass sie auch keinen kleinen Linus haben wollten. »Aber ihr wart doch auch mal klein«, warf er den großen Schwestern vor.
»Na und«, antwortete Katja. »Was man selber mal war, muss man ja nicht unbedingt haben wollen.«
Sie sagte es und kicherte und Jenny kicherte mit.
Paula sagte nur: »Ihr seid so blöd, wie ihr lang seid«, dann verzog sie sich in ihr Zimmer. Sie wollte nachdenken. Und dabei sollte sie keiner stören.
Als Jenny später mal den Kopf zur Tür hereinsteckte und irgendetwas von ihr wollte, warf Paula ein Kissen nach ihr. Und als gleich darauf Katja kam und sie aufforderte, noch mal Linus abzuhören, schob sie, kaum war die Tür wieder zu, den Tisch davor.
Kleinigkeiten?
Es war schon später Abend und Paula lag im Bett. Aber sie war noch gar nicht müde. Sie lauschte auf den Regen, der noch immer am Fenster vorüberrauschte, und hörte Linus zu.
Linus erzählte ihr mal wieder eines seiner selbst erfundenen Märchen.
Es ging darin um ein Schloss, in dem lauter Riesen wohnten, die aber in Wahrheit Zwerge waren. Sie glaubten nur, sie wären Riesen, weil das Schloss ganz klein war, viel kleiner als ein Zwergenschloss.
Als sich dann eines Tages ein wirklicher Riese über das kleine Schloss beugte, bekamen die Zwerge einen
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