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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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No-Name-Nachbau eines längst nicht mehr aktuellen Modells.«
    »Das lassen wir uns nicht gefallen!«, fand Erichs Frau und nahm ihm die Kamera aus den Händen. Dann ging sie wieder zurück
     in den Laden. Die Figuren, die vor den anderen Shops gestanden hatten, waren inzwischen aufmerksam geworden und näherten sich
     uns.
    Ich folgte der Frau in das durchaus freundlich und hell gestaltete Geschäft. Hinter dem Tresen standen zwei Asiaten, die sich
     auf den ersten Blick wie eineiige Zwillinge glichen.
    »Das ist Betrug!«, rief Frau Erich und knallte die Kiste auf den Tisch.
    Einer der beiden Verkäufer kam so schnell hinter dem Tresen hervor, dass ich kaum seinen Bewegungen folgen konnte. Er legte
     einen Arm um die Hüfte der Frau und machte Anstalten, sie aus dem Laden zu schieben. »Gutes Geschäft, gutes Apparat«, sagte
     er dabei. Dann stellte ich mich ihm in den Weg.
    »Gutes Geschäft für dich, junger Freund«, sagte ich und lächelte |93| ihn an. Dann zog ich, zum zweiten Mal an diesem Tag, meinen Presseausweis aus der Tasche. »Weißt du, was das ist?«, fragte
     ich, mit leicht drohendem Unterton. Er warf einen kurzen Blick auf das laminierte Ding und sah dann zur Tür. Da standen sieben
     oder acht Kollegen aus den anderen Geschäften. Er nickte ihnen kurz zu, und dann ging alles sehr schnell.
     
    Tritte in den Bauch können einem den Tag versauen. Drei oder vier der Schlepper hatten sich mit dem Ehepaar Erich befasst,
     die anderen hatten sich meiner Wenigkeit gewidmet. Ich bekam nicht mit, was mit den Kamerakäufern geschah, nahm aber an, dass
     es glimpflicher ausging als bei mir. Drei Typen schoben mich in einen Durchgang, einer hielt mich dabei im Schwitzkasten.
     Dann bekam ich die Art von Dresche, die keinen Schaden anrichtet, aber weh tut. Es dauerte keine fünf Minuten, bis ich keuchend,
     aber glücklicherweise allein in einer nach Fisch stinkenden, irgendwie öligen Pfütze lag und nach Luft schnappte. Mein Bauch
     befand sich in einem originellen Zustand, der viel mit einem Morgen nach einer Sauftour der Kategorie neun, Tendenz zehn gemein
     hatte. Ich verspürte starken Brechreiz und erhebliche Schmerzen. Was ich absolut nicht mehr verspürte, war der Wunsch, dämlichen
     Touristen dabei zu helfen, nicht abgezockt zu werden. Ich kramte meinen lädierten Körper zusammen, wankte zum Auto und fuhr
     zurück ins Hotel. Auf dem Weg dachte ich darüber nach, die Polizei zu alarmieren, verwarf die Idee aber gleich wieder. Das
     Palaver des Hotelmanagers mit den beiden kanarischen Bullenvögeln hatte mir gezeigt, wie hier der Hase lief. Wir, die Pauschaltouristen,
     waren der Dreck, aus dem man auf Scheißegrancanaria Geld machte. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Nicht für einen Cent
     mehr.
    Nina saß noch immer an der Poolbar und starrte ins Nichts. Vor ihr stand, was mich eigentlich noch mehr verblüffte als mein
     jüngstes Erlebnis, eine Kanne Tee. Ich setzte mich neben sie und erzählte, was gerade geschehen war.
    |94| »Ist irgendwie nicht dein Tag heute«, sagte sie mitfühlend und legte mir einen Arm um die Schulter.
    Ich sah sie an und sie mich. In ihrem Blick lag etwas vollkommen Irres. Und trotzdem wohnte diesem Blick gleichzeitig eine
     nüchterne Distanz inne, eine verklärte Ernsthaftigkeit, die ich an ihr so noch nicht erlebt hatte.
    »Das Leben ist scheiße, hier wie überall«, erklärte sie, leicht nuschelnd, und nahm einen Schluck Tee.
    »Großer Gott«, sagte sie dann. »Diese Plörre schmeckt wie Bimbos Pisse.«
    Mein Bauch beruhigte sich langsam, aber es schmerzte noch immer. Ich nahm Nina die Tasse aus der Hand und nippte daran. Ganz
     so schlimm war es nicht, obwohl sich die Sorte nicht herausfinden ließ, und als die Wärme meinen Magen erreichte, stellte
     sich fast ein Wohlgefühl ein.
    »Das ist ein seltsames Spiel, diese Nummer hier«, sagte ich und drehte mich etwas mühselig zum Pool um. Eine Gruppe Spätfünfzigerinnen
     vollführte seltsame Übungen zur Anleitung einer knackigen Spanierin, die am Poolrand neben einem Ghettoblaster stand, aus
     dem Idiotentechno dröhnte. »Wenn man sich darauf einlässt, wird man verarscht, und wenn nicht, dann wird man verdroschen.«
    »Das ist wie überall«, murmelte Nina.
    »Ja, aber teurer.«
    Wir schwiegen ein paar Minuten.
    »Ich bin so einsam«, murmelte sie dann plötzlich und legte ihren Kopf auf meine Schulter.
    »Einsam?«
    »Weißt du, wie schwer es für eine Frau in meinem Alter ist, einen brauchbaren Partner

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