Pauschaltourist
zu finden?«
Ich war von der seltsamen Wendung unseres Gesprächs überrascht, musste aber sofort an Silke denken, die etwas, aber nicht
viel älter als Nina war und offenbar keine großen Probleme damit |95| hatte, Partner zu finden, sogar Zweitpartner. Deshalb schüttelte ich den Kopf.
»Verdammt, da draußen sind nur Patienten und Psychopathen unterwegs«, stellte sie fest. »Oder verheiratete Arschlöcher, die
nichts als Fremdficken im Sinn haben.«
»Ehrlich?« Meine jüngsten Erfahrungen stützten einen Teil ihrer Aussage zwar, basierten aber auf einer anderen Ausgangssituation.
»Scheiße, ich könnte dir was erzählen.« Dieser Satz hatte sie Kraft gekostet, viel zu viel Kraft. Gleich danach sank ihr Kopf
mit einem hörbaren Knall auf den Tresen, viel zu schnell für mich, um noch einschreiten zu können.
In meinem Zimmer lag tatsächlich eine Liste, die fast exakt die Gegenstände aufzählte, die ich Señor Martinez als gestohlen
gemeldet hatte. Darunter befand sich in schlechtem Deutsch eine Erklärung, die mit meiner Unterzeichnung dazu führen würde,
dass sämtliche Ansprüche in alle Richtungen mit der Zahlung des Gesamtwerts ausgeglichen wären, außerdem verpflichtete ich
mich zur Geheimhaltung. Ich duschte den Rest des Bauchschmerzes weg und warf mich aufs Bett, die Liste in den Händen. Natürlich
hatte ich mich idiotisch verhalten, sagte ich mir. Aber noch idiotischer wäre es, beschloss ich nach einigen Minuten des Nachdenkens,
es ihnen so einfach zu machen.
Nina tauchte nicht zum Abendessen auf, das ich mit drei Elternpärchen aus dem Ruhrgebiet und ihrer völlig verzogenen Brut
verbrachte, die besonders viel Spaß damit hatten, Salat durch die Gegend zu werfen und ihre Eltern dabei herausfordernd anzugrinsen,
ohne dass diese auch nur darüber nachzudenken schienen, irgendwie zu reagieren. Aber an der Bar traf ich meine Kollegin dann
wieder. Sie sah überraschend erholt aus und trank vielleicht Cola, vielleicht aber auch Cola mit was drin. Eusebio stand hinter
dem |96| Tresen und wusste offenbar nicht, wen oder was er ansehen sollte. Er tat mir fast ein bisschen leid. Auch Chico-Eusebio war
Teil dieses verfickten Abzockersystems, das Erholung versprach, eigentlich aber nur darauf aus war, dämliche Blassgesichter
aus dem nördlicheren Europa um möglichst viel Kohle zu erleichtern. Ohne nennenswerte Gegenleistung.
Wir redeten nicht viel, eigentlich überhaupt nicht. Das Einsamkeitsthema kam nicht noch einmal auf, obwohl mich interessiert
hätte, was Nina genau damit meinte, und als es an der Zeit war, gingen wir schweigend in den Veranstaltungssaal. Statt eines
Zauberers trieb an diesem Tag ein fader Clown sein Spiel, dann kam die Band. Ich hatte Angela hübscher in Erinnerung, die
keine zwei Tage alt war, aber diese Erinnerung litt unter diversen, nicht nur schönen Erfahrungen, die ich zwischenzeitlich
gemacht hatte. Während ich noch darüber nachdachte, wie ich auf das auffordernde Lächeln reagieren sollte, das mir ständig
von der Bühne entgegenstrahlte, schoben sich zwei Gestalten in mein Blickfeld, die ich zwar sofort erkannte, die mir aber
wie Menschen aus einer weit entfernten Vergangenheit vorkamen. Inge und Herta zogen sich, alle Proteste ignorierend, Stühle
von Nachbartischen heran und setzten sich zu uns. Ein Zwilling stellte eine grüne Schachtel vor mir ab – eine Großpackung
After Eight. Ich beugte mich zu ihr und umarmte sie herzlich.
»Schön haben Sie es hier«, sagte eine von beiden, Herta oder Inge oder ein inzwischen aufgetauchter Drilling.
»Finden Sie?«, fragte ich zurück, drückte aber beiden die mächtigen Unterarme. Etwas in mir freute sich, die Frauen zu sehen,
etwas anderes, das latent stärker war, wünschte sich nur noch auf einen anderen Planeten.
»Sie müssten unser Hotel mal sehen«, sagte Ingeoderherta.
»Nicht wirklich«, murmelte Nina, lächelte dabei aber freundlich.
»Heute ist was passiert!«, rief ein Zwilling so laut, dass sich Leute |97| zu uns umdrehten. Hennings Band spielte einen alten Elton-John-Titel. Gibt es eigentlich auch neue Elton-John-Songs? Scheißegal.
»In unserem Hotel war ein Pärchen, junge Dinger, wirklich hübsche Leute«, sagte die andere, wobei sie vor Aufregung errötete.
»Die haben« – ihr Tonfall wurde leiser – »Touristen ausgeraubt.«
Nina sah mich an, wieder mit diesem Terroristenblick. Ich nickte langsam. »Ein Typ, der wie Ralf Bauer aussieht,
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