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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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und eine
     sehr hübsche Frau mit langen, blonden Haaren.«
    »Nein!«, rief der andere Zwilling und packte meinen Unterarm, als wäre er ein Ruder und sie Schlagmann in einem Achter. »Wo her wissen Sie das?«
    »Das«, sagte ich und nahm einen Schluck Bier, »ist eine lange, traurige Geschichte.«
    Immerhin war es wirklich nett, Inge und Herta dabeizuhaben, während die Band in der Hauptsache das Set wiederholte, das sie
     zwei Tage zuvor schon gespielt hatte, und über Dinge zu reden, die eigentlich niemanden interessieren sollten, der Tausende
     Kilometer fliegt, um genau mit solchem Dreck nicht konfrontiert zu werden. Ich beantwortete ein paar sehr knifflige Kreuzworträtselfragen,
     dann verabschiedeten sich die beiden, ohne dass ich herausbekommen hätte, wer wer war, weil sie einen Bus kriegen mussten.
     Das fiel mit der Bandpause zusammen. Henning kam an unseren Tisch, küsste Nina, die das erkennbar widerwillig über sich ergehen
     ließ. Angela hielt sich im Hintergrund, nickte in Richtung Bar. Mein inzwischen sechstes Bier hatte mich in einen Zustand
     ergebener Passivität versetzt, also folgte ich der Aufforderung, die letztlich dazu führte, dass wir den Sex von vor zwei
     Tagen zu wiederholen versuchten, aber bei dem Versuch scheiterten. Angela verließ mein Zimmer, während ich noch schlief, und
     ich vermisste sie nicht, als ich aufwachte.
     
    Zwei Tage später holte uns morgens um drei ein Bus vom Hotel ab, obwohl unser Flug erst um zehn ging. Wir wiederholten die |98| endlose Zickzack-Tour durch das Märkische Viertel, drängten uns ins Flugzeug, um Ablageplatz für unser Handgepäck zu finden,
     und als wir schließlich in Tegel landeten, war ich einfach nur erleichtert. Das änderte sich schlagartig, als ich die Wohnung
     betrat. Stan und Ollie waren verschwunden, und auch sonst fand sich nicht mehr viel von dem wieder, das ich erwartet hatte.
     Aber immerhin hatte ich eine handgeschriebene Story im Gepäck, die ich sofort an Heino Sitz faxte:
Angst und Schrecken in Maspalomas
. Das Faxgerät hatte Silke nie gemocht, ein grauer, großer Kasten, der das Papier zerknitterte, wenn man es nicht sorgsam
     einlegte. Ich dachte an Janet, die räuberische Fee aus dem Sachsenland, während die fünfzehn Seiten durch den Papiereinzug
     knatterten. Als die letzte Seite gefaxt war, warf ich mich aufs Bett, eines der wenigen Möbelstücke, die ich in die Beziehung
     eingebracht hatte, und fiel in einen erholsamen fünfzehnstündigen Schlaf, den auch das seit drei Tagen präsente und immer
     stärker werdende Sackjucken nicht zu unterbrechen in der Lage war.

|99| 10.
    »Filzläuse?« Steini sah mich gleichzeitig mitfühlend und amüsiert an.
    Ich nickte. »Sackratten, Phthirus pubis.« Ich war stolz darauf, mir den komplizierten lateinischen Namen gemerkt zu haben.
     »Bin jetzt rasiert.« Er hob eine Augenbraue. »Außerdem musste ich heute Morgen alle Klamotten, die ich dabeihatte, in die
     Reinigung geben und heiß trocknen lassen.«
    »Und welche von beiden war es?« Steini kippte sich die Neige in den Hals und winkte nach Lisa.
    »Mmh. Wenn ich mich recht erinnere, war Angela …«
    »Die Sängerin«, unterbrach Steini nickend.
    »Richtig. Jedenfalls war die unbehaart. Also muss es mein sächsischer Engel gewesen sein.«
    »Die diebische Elster.«
    »Eher ein diebischer Kolibri. Wirklich, bei aller Scheiße, die sie mir angetan hat – das war eine sehr zarte, verdammt hübsche
     kleine Frau.« Ein leicht wehmütiges Gefühl überkam mich, und ich musste an den Zettel mit dem Krakelherz denken. Den ich tatsächlich
     eingesteckt hatte.
    »Wie nennt man das, wenn sich Opfer in Täter verlieben?«, fragte mein Kumpel lachend.
    »Stockholm-Syndrom«, platzte der Rätselredakteur in mir heraus. »Aber das gilt wohl nur für Entführungssituationen. Außerdem.
     Wer ist hier verliebt?«
    Weil ich das Gesicht verzog, legte er mir eine Hand auf die Schulter. »Sorry. Das mit Silke tut mir wirklich sehr, sehr leid.«
     Ich sah ihn an und war einen Moment verwirrt. Seine Mimik wirkte irgendwie abwesend. Wahrscheinlich war er mit den Gedanken
     woanders.
    |100| »Was ist mit Silke?«, fragte Lisa.
    Ich nahm ihr das frische Bier aus der Hand, trank einen Schluck, sah ihr in die Augen und sagte: »Schicht im Schacht. Aus
     die Maus. Ende mit Gas. Klappe zu, Affe tot.«
    »Oh.« Sie blickte Steini und mich abwechselnd an, schließlich wieder nur mich. »Dann bist du jetzt solo, oder?«
    »Pragmatisch ausgedrückt

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