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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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der Rezeption angerufen?«
    Sie nickte. »Da ist niemand mehr.«
    »Wir müssen einen Krankenwagen holen.«
    »Oder wir warten einfach ab«, meinte sie, zündete sich eine Zigarette an und setzte sich neben ihren jetzt schon weniger zuckenden
Marock
. Sie zog die Stirn kraus. »Soweit ich weiß, geht das meist nach ein paar Minuten von selbst weg.«
    |131| »Und wenn es was anderes ist? Eine Vergiftung oder so?«
    »Dann eben nicht«, erklärte sie und blies Rauch in meine Richtung. Tatsächlich schien sich Jules jetzt zu beruhigen. Die Zuckungen
     ließen nach, und auch seine Erektion fiel zusammen. Ich nahm das auf dem Boden liegende Betttuch und bedeckte ihn damit.
    »Danke«, sagte Nina.
    Fünf Minuten später war der Spuk vorbei. Der Marokkaner wirkte zwar noch immer sehr angespannt, aber die Zuckungen hatten
     aufgehört. Kurz darauf schien er einfach eingeschlafen zu sein, er atmete schnell, aber gleichmäßig, war allerdings schweißnass.
     Nina stieß ihn an. Er zeigte keine Reaktion.
    »Terminalschlaf nennt man das«, sagte ich, weil ich zwischenzeitlich mit meinem Telefon ins Internet gegangen war. »Kann lange
     dauern. Manchmal sogar Tage. Herzlichen Glückwunsch.«
    »Psychopathen oder Patienten«, murmelte Nina. »Kriegen wir noch irgendwo was zu trinken?«
    »Müsste möglich sein, ist ja erst kurz nach zwölf.«

|132| 3.
    »Ist er aufgewacht?«, fragte ich und nippte an meinem Kaffee. Der war unglaublich stark, was das fast vollständig fehlende
     Aroma allerdings kaum ausglich.
    Nina, die verhältnismäßig frisch aussah, schüttelte den Kopf. »Ich habe alles Mögliche versucht, aber er schläft wie ein Toter.
     Was mache ich jetzt mit diesem Typen in meinem Zimmer?«
    »Liegenlassen?«
    »Ja, und wenn ich nachher zurückkomme, ist meine Bude ausgeräumt und die Minibar leergesoffen.«
    »Wir haben überhaupt keine Minibars.« Ich musste an Janet denken, verdrängte den Gedanken aber gleich wieder. Der, der danach
     kam, befasste sich mit zwei Rostocker Berufsschülerinnen. Mein Hormonpegel war auf Anschlag. Ich fühlte mich wie ein Primaner
     auf Klassenreise.
    »War ja auch nur so dahingesagt.« Sie drehte sich auf der Hacke um und ging zum Bufett. Also zu dem etwas größeren Küchentisch,
     der hier Bufett genannt wurde. Es gab zwar Kaffee in rauen Mengen, aber sonst nur homöopathisch verdünnten Orangensaft, altbackene
     Brötchen, klumpige, kalkweiße Butter und etwas Alibi-Obst, das seine besseren Tage weit hinter sich gelassen hatte. Wurst,
     Käse oder wenigstens Marmelade waren nicht im Angebot, dafür gab es Fake-Nutella und Honig in Portionspäckchen. Letzteren
     hatte ich interessehalber probiert, er schmeckte nach Seife.
    »Ist hier jemand?«, brüllte Nina in Richtung der Tür hinter dem Bufett. »Ich hätte gern ein Ei, etwas Käse, Joghurt und, wenn
     es nicht zu viel verlangt ist, Müsli oder wenigstens Cornflakes!« Da niemand reagierte, kletterte sie unter dem Tisch durch
     und pochte gegen die Tür, wobei sie ihre Forderungen wiederholte. |133| Eine junge Marokkanerin erschien und fragte schüchtern: »Cof fee ? More Coffee?«
    »Nee, keinen Scheißcoffee. Ich will ein Ei, Müsli und Käse«, meckerte meine Kollegin. Dann sagte sie es abermals auf Englisch
     und Französisch. Die fünf anderen Gäste im Speiseraum beobachteten sie interessiert. Aber die kleine Kellnerin zuckte nur
     die Schultern und wies auf das Bufett. »Breakfast«, erklärte sie dazu. Nina schüttelte den Kopf. »No breakfast. Bullshit.«
     Die Marokkanerin lächelte nickend und schloss die Tür wieder.
    »Der Koch arbeitet fürs Militär, oder?«, fragte sie, als sie mit Kaffee, zwei Brötchen, Butter und Seifenhonig zurückkehrte.
    Ich grinste. »Den Honig habe ich schon probiert. Nicht empfehlenswert.«
    Sie ignorierte das. »Was machen wir heute?«
    »Strand?«
    Nina nickte. »Wenigstens ist er zu Fuß zu erreichen. Aber vorher muss ich noch meinen Gigolo loswerden.« Sie blinzelte und
     wirkte plötzlich sehr fröhlich. »Was ist mit deinen Kumpels von gestern? Könnten die uns helfen, ihn einfach an den Pool zu
     tragen?«
     
    Sie konnten, und sie fanden es sogar ziemlich spaßig. Wir hievten Jules auf eine Liege, die im Schatten stand, und legten
     ihm ein Badehandtuch über Beine und Bauch.
    »Das ist wie im Krimi«, meinte Robby. Die anderen Poolgäste, zwei Pärchen Anfang dreißig, tuschelten miteinander.
    »Der ist nicht tot!«, rief ihnen Kevin zu. Die Touristen sahen ihn verständnislos an.

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