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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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wirklich verheiratet, oder?«, wollte der andere wissen.
    »Ist so eine Art offene Ehe. Sehr cool und lässig«, behauptete ich. Dabei wanderte mein Blick zur Tanzfläche, wo sich Nadine
     und Madeleine verhielten, als würden sie nicht wahrnehmen, dass sie von vierzig notgeilen Typen angegafft wurden. Nadine erwischte
     meinen Blick und lächelte verschlagen. Dann beugte sie sich zu ihrer Freundin und flüsterte etwas in ihr Ohr. Madeleine nickte
     mir zu.
    »Irgendwie ist das hier total langweilig«, sagte Kevin. Ich konnte nur nicken. In einer Disse rumzustehen, die viel mit den
     Achtziger-Clubs gemein hatte, die Mitte der Neunziger – zu recht – reihenweise ausstarben, war nicht gerade inspirierende
     Abendunterhaltung. Davon abgesehen gab es für die beiden nichts zu entdecken – die einzigen brauchbar aussehenden Frauen waren
     diejenigen, mit denen sie gekommen waren.
    »Wir könnten irgendwo ein paar Biere organisieren und uns an den Pool setzen«, schlug Robby vor, wobei klar war, dass das
     »wir« Nadine und Madeleine nicht miteinschloss – und dass ich es sein würde, der das Bier zu »organisieren« hätte.
    Das taten wir. In einem speckigen Restaurant kauften wir zwanzig Flaschen »Flag Speciale« zum Speciale-Tarif. Am Hotelpool
     war es ruhig. Wir zogen die Schuhe aus, köpften die ersten drei |127| Flaschen, ließen unsere kalkweißen Füße ins beleuchtete Wasser baumeln und starrten in den kohleschwarzen, sternenbetupften
     Himmel. Kevin hatte seinen MP3-Player und ein paar Aktivboxen geholt, und ich war überrascht, relativ entspannte Musik zu
     hören –
Snow Patrol
oder
Cargo City
oder so. Zwischen den Songs erklang das leise Geticker der Kakerlaken, die irgendwo hinter uns herumhuschten. Es mussten Dutzende
     sein, vielleicht Hunderte. Das störte mich nicht, schließlich war ich vor kurzem selbst Wirt einer ganzen Insekten
kolonie
gewesen. Aber ich hoffte darauf, dabei zu sein, wenn Nina auf die erste stieß.
    »Wer von euch ist eigentlich mit wem zusammen?«, fragte ich, während wir die zweite Runde köpften.
    Robby lachte, Kevin erhob sich, drehte sich um und pinkelte ins Gebüsch.
    »Keiner mit keiner«, sagte Robby. »Wir sind nur Freunde, ich kenne Nadine schon seit …« – er zog wieder seine Stirnfalte auf
     die Kopfmitte – »… fünf Jahren.« Eine Ewigkeit für ihn, stellte ich neidisch fest. »Die beiden stehen eher auf ältere Typen.
     Madeleine hat was mit unserem Lehrer in Sozi. Der ist übelst alt. Über vierzig.«
    »Scheiße, der ist ja fast tot«, sagte ich. Robby lachte. Kevin setzte sich wieder zu uns und schob dabei sein Gemächt in der
     Hose zurecht.
    Wir tranken weitere drei Runden und schwatzten über die Wiedervereinigung, die sie altersbedingt nicht bewusst miterlebt hatten,
     über Musik – was nicht ganz einfach war, denn für Robby und Kevin gab es keinen qualitativen Unterschied zwischen Bushido
     und Die Ärzte, was ich dramatisch anders sah – und Frauen. Die beiden hatten klare Vorstellungen, was ihre Traumfrauen anging,
     was mich sehr an meine eigene Jugend erinnerte. Treu, extrem hübsch, sexuell offen für alles und vor allem generell auf der
     gleichen Linie. Robby differenzierte etwas, für ihn war die Leidenschaft für
Hansa
wichtiger als große Brüste. Kevin wiederum hätte nichts |128| dagegen, für Riesentitten auch allein ins Stadion zu gehen. Wir einigten uns darauf, dass man das eine durch Implantate und
     das andere durch beharrliche Überzeugungsarbeit ausgleichen konnte. Dann kamen die Mädels. Ihre Haare wirkten auf anregende
     Art durcheinander, ihre Gesichter waren gerötet. Beide schnappten sich Biere und ließen sie sich von Robby öffnen. Nadine
     drängte sich zwischen Kevin und mich, Madeleine setzte sich nach außen. Während die Mädchen ihr erstes Bier tranken, wurde
     beharrlich geschwiegen.
    »Ich habe deine Frau gesehen«, sagte Nadine irgendwann, und während sie das sagte, rückte sie meinem Gefühl nach näher an
     mich heran, aber ich nahm keine Bewegung wahr. »Sie hat mit einem Marock rumgeknutscht. Mitten auf der Straße.«
    »Mit einem Marock«, wiederholte ich und fand Gefallen an dem obszön klingenden Wort.
    Madeleine beugte sich vor und drehte sich mir zu. »Wenn ihr zwei verheiratet seid, bin ich es auch.« Danach lachten die beiden
     Mädchen. Ich griff mir ein weiteres Bier, wobei ich feststellte, dass unsere Vorräte zur Neige gingen, und antwortete nicht.
     Ich fragte mich, was Nina gerade tat,

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