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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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schnell
     so |124| endgültig zu ruinieren. Unwillkürlich musste ich an Heino Sitz und seine Zahnlücke denken.
    »Kein Wort«, antwortete Nina für ihn. »Ist das nicht herrlich?« Sie zog den jungen Mann an sich heran und küsste ihn auf die
     Stirn. Er ließ das über sich ergehen, ohne groß zu reagieren. Ich zog eine neue Fluppe aus der Schachtel und hielt sie den
     beiden entgegen. Nina nahm sich eine, Jules nahm sich eine, aber er nahm mir außerdem die Schachtel aus der Hand und steckte
     sie in seine Brusttasche.
    »So nicht, Kollege«, schimpfte ich und langte nach seiner Hemdtasche. Noch bevor ich mit meiner Hand auch nur in die Nähe
     seiner Brust gekommen war, hatte er meinen Unterarm in einer blitzschnellen Bewegung gepackt und hielt ihn fest, und zwar
     ziemlich eisern. Ich ließ mich vom Hocker gleiten, während Ninas Bespaßer noch immer meinen Arm umklammert hielt, und schob
     ihm meinen Körper entgegen. Ich war mindestens zwanzig Zentimeter größer als mein Gegenüber. Trotzdem ahnte etwas in mir,
     dass uns hier möglicherweise eine ungleiche Auseinandersetzung bevorstand, die mich als ungleicher zurücklassen würde. Seine
     fast schwarzen Augen fixierten mich emotionslos und extrem wachsam. Ab jetzt würde jede meiner Bewegungen Konsequenzen haben.
    »Tu das nicht«, sagte Nina leise, aber bestimmt und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Die paar Fluppen sind das nicht
     wert. Du kriegst morgen neue von mir.«
    Ich versuchte mich an einem Lächeln und deutete mit dem Oberkörper den Rückzug an. Jules nickte kurz und ließ meinen Arm los.
     Es tat weh. Der schmale Jüngling verfügte über Kräfte, die man ihm nicht ansah.
    »Was ist das für ein Spiel?«, fragte ich Nina. Sie grinste schmal.
    »Er macht, was immer ich von ihm verlange, dafür bekommt er ein paar Dirhams, ein paar Euros und was er sonst noch so braucht.
     Das ist, wenn ich ihn richtig verstanden habe, der Deal.«
    |125| »Hast du das nötig?«
    Sie warf den Kopf in den Nacken. »Hoffentlich nicht. Aber ich habe
Lust
darauf. Komm, sei ehrlich. Du warst doch auch schon im Puff, oder?«
    Ich nickte langsam. Ja, ich hatte schon Bordelle besucht. Nicht oft, nicht während der vergangenen sieben Jahre, meistens
     im Rausch, und niemals zu meiner Befriedigung.
Keine
Nutte hielt die Versprechen, die sie machte, bevor die Knete den Besitzer gewechselt hatte. Das lag meiner Meinung nach in
     der Natur der Sache. Lust auf jemanden kann man letztlich nicht glaubwürdig vortäuschen. Der Kunde muss sich der Täuschung
     hingeben können. Ich gehörte nicht zu den Leuten, bei denen so was funktionierte.
    »Sei vorsichtig«, sagte ich nur. Nina nickte und strich mit der rechten Hand über Jules’ wohldefinierten Oberkörper. Der fischte
     sich gerade eine neue Zigarette, eine von meinen, aus der Hemdtasche und zündete sie an der vorigen an. Gut möglich, dass
     er seine Zähne einfach
weggeraucht
hatte. Ich tippte mir mit dem Finger an die Schläfe und sagte: »Meine Funke ist an, wenn du was brauchst.« Dann warf ich einen
     Fünf-Millionen-Dirham-Schein auf den Tresen und verließ den Laden.
    Aber ich hatte noch keine Lust auf Al-Dschasira, einsame Bettlektüre oder Kakerlakenbeobachtung. Also durchstöberte ich die
     nächstgelegenen Hoteldiscotheken, die einander sehr ähnelten. In der dritten traf ich meine Tischtennisgegner und ihre geklonten
     Begleiterinnen. Die beiden Mädchen tanzten, heftig umschwärmt von Einheimischen diverser Altersgruppen – selbst Männer in
     den Sechzigern gafften -, während Kevin und Robby an der Bar abhingen und durstig aussahen. Sie begrüßten mich überschwänglich,
     was mich dazu brachte, an meine Rätselzwillinge zu denken. Jesus, das fühlte sich an, als wäre es Jahrzehnte her. Ich klopfte
     den Rostocker Berufsschülern auf die Schultern und bestellte sechs Biere für uns. Scheißt das Huhn drauf. Die vierzig Euro
     würden den Kohl auch nicht mehr fett machen. Ich zählte die Dirhams auf |126| den Tresen, als wären es Monopoly-Scheine, und hörte mir ostigbegeisterte Trinksprüche an.
    »Wo ist deine Ische?«, fragte Kevin beim zweiten Bier.
    »In einem anderen Laden.« Mir fiel der Name nicht mehr ein. »Sie fraternisiert.«
    »Sie macht was?«, hakte Robby nach und zog das Stirnrunzeln bis auf die Mitte seiner Jungenglatze.
    »Schwierige Sache«, antwortete ich und spürte, dass ich langsam oder sicher betrunken wurde. »Checkt das einheimische Frischfleisch
     ab.«
    »Ihr seid aber

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