Pauschaltourist
trank ein weiteres Bier und einen exzellenten, elefantenstarken Kaffee |159| und fühlte mich rundum wohl. Ich bestellte die Grillplatte gleich noch mal zum Mitnehmen und schwitzte mich zum Hotel zurück.
Nina saß wie gehabt an der Bar und führte lautstark Selbstgespräche. Ich stellte ihr das Essen hin und verzog mich zum Pool,
ohne zur Kenntnis zu nehmen, wovon ihr Monolog handelte. Sie würdigte mich keines Blickes.
Am Schwimmbecken lagen die Rostocker Mädchen in ihren weniger freizügigen Standard-Bikinis, also legte ich mich auf die andere
Seite, trotz des heftigen Komm-doch-zu-uns-Gewinkes von Madeleine; Nadine verhielt sich zurückhaltend. Ich tickerte meinen
neuen iPod zum vorvorletzten
The Killers- Album
, klappte das Buch an der markierten Stelle auf, ohne mich auch nur entfernt daran zu erinnern, worum es bis Seite 173 gegangen
war, und versuchte zu lesen. Das ging überhaupt nicht. Also surfte ich mit meinem Telefon auf die Seiten diverser Fluganbieter
und fand tatsächlich zwei Rückflüge in die Heimat, die übermorgen gehen würden, zu einem vertretbaren Tarif. Eigentlich sollte
unser Aufenthalt noch vier Tage dauern, und noch eigentlicher taten wir derzeit
genau
das, wofür uns Heino Sitz auf die Reise geschickt hatte. Ich speicherte die Links und spürte eine Hand auf meiner Schulter.
Nadine saß neben mir, sie sah mich erwartungsvoll und ein bisschen ängstlich an. Ich nahm die Kopfhörer ab und schenkte ihr
ein Lächeln. Genau genommen hatte sie mich fair behandelt, es gab nichts, das ich ihr vorwerfen könnte – sie hatte mir mitgeteilt,
dass ich nur umständehalber in die engere Auswahl gekommen war, und sie hatte eine andere getroffen, als sich die Gelegenheit
bot.
»Können wir reden?«, fragte sie und strahlte mich an. Ich nickte.
»Es tut mir leid«, fuhr sie fort. »Ehrlich. Ich wollte dich nicht kränken. Oder dass du dich schlecht fühlst. Aber ich hab
dir auch gesagt …«
»Geschenkt«, unterbrach ich. »Du hast mich ja fast überreden müssen, idiotischerweise, und damit meine ich nicht dich. Natürlich
war ich sauer. Aber ich verstehe dich. Ich hätte wahrscheinlich |160| genauso gehandelt. Hey, diese beiden Franzosen sehen aus wie griechische Götter. Wär ich ’ne Frau, hätt ich mich denen wahrscheinlich
auch zu Füßen geworfen.«
Nadine schüttelte langsam den Kopf. »Das mit dir.« Sie sah auf ihre Fußnägel, deren violetter Lack einer dringenden Erneuerung
bedurfte, dann umfasste sie den rechten Fuß mit beiden Händen. In Richtung ihrer Gehwerkzeuge sprach sie weiter. »Mir ist
gestern etwas klargeworden. Und auch heute, als du diese lustige Probe mitgemacht hast.« Sie ließ ihren Fuß los und drehte
das Gesicht zu mir. »Ich mag dich, wirklich.«
»Cool«, erklärte ich und hatte nicht die leiseste Peilung, wovon sie sprach.
Nadine sah zum Pool. »Das ist wirklich eine Bruchbude hier.«
Ich nickte und sah auf das Display meines MP3-Players. »Read My Mind« lief gerade, ganz entfernt hörbar über die Ohrstöpsel,
die neben mir auf dem Strandtuch lagen. Keine Ahnung, was das Mädchen von mir wollte. Ich forschte in mir nach Gefühlen, wobei
ich ihr einen verstohlenen Blick zuwarf. Die Erinnerung an den gemeinsamen Bettnachmittag war durchaus noch präsent. Es hatte
Spaß gemacht, großen sogar, aber etwas in mir war abgestumpft, widerwillig. Das Wort
Stress
kam mir in den Sinn. Dann sah ich sie in ihrem Streichholztanga vor meinem geistigen Auge. Ich musste mich auf den plörrigen
Pool konzentrieren, um keine Genitalschwellung zu riskieren.
Nadine stand auf. »Wir sehen uns bei der Show.« Ich nickte.
Das taten wir – und mit uns etwa hundertfünfzig weitere Hotelgäste. In Strandrichtung hinter dem rechten Seitenflügel gab
es eine Art antikes Amphitheater, in dem unsere Darbietung stattfinden sollte. Ich hatte noch graubraune Tunke gegessen, ohne
jemanden zu treffen, den ich kannte, und kämpfte gegen Würgereiz an, als ich eine halbe Stunde vor Beginn eintraf – aus verschiedenen
Gründen, nicht zuletzt hatte ich, wie ich verblüfft feststellte, |161| enormes Lampenfieber. Als ich ankam, waren überraschenderweise schon die meisten Plätze des Open-Air-Halbrunds belegt.
Die Show war doof und total peinlich, aber lustig, wie früher diese Fernsehserie »Klimbim« oder ein später Rocky-Film. Ich
schämte mich durch die Schreibmaschinen-Nummer, aber lieferte etwas später ganz großes Tennis bei der
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