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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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schweigend, um das Hundegrab,
     zwei oder drei Minuten, unterbrochen nur vom Schluchzen der nun hundelosen Halterin. Ich war immer noch schockiert, musste
     allerdings – wie Kevin und Robby auch – hin und wieder dagegen ankämpfen, ob der Skurrilität der Situation nicht in schallendes
     Gelächter auszubrechen. Ja, ich hatte versehentlich ein Tierleben ausgelöscht und der Dame erhebliches Ungemach bereitet,
     aber erstens ohne Absicht und zweitens aufgrund ihrer eigenen Nachlässigkeit. Trotzdem fand ich es schrecklich, den Shi-Tsu
     gekillt zu haben. Jacky sah das ganz ähnlich und fürchtete, deswegen noch Ärger zu bekommen, schließlich hatte er seine Aufsichtspflicht
     vernachlässigt. Aber ich glaubte nicht, dass die trauernde Ex-Hundebesitzerin Alarm schlagen würde.
    Weit gefehlt.
    Der Chefanimateur musste mit wenig Menschenmaterial auskommen. Außer mir und Nadine, die ich beharrlich ignorierte, standen
     ganze vier Clubgäste zur Verfügung, mit denen er ein insgesamt dreiviertelstündiges Programm durchzuziehen hatte. Tatsächlich
     gab es drei weitere Animateure, nämlich eine Physiotherapeutin aus Dänemark, die auch schon bessere Tage erlebt hatte und
     das clubeigene »Fitnesscenter« betreute, eine junge, ziemlich überdrehte und extrem pickelige deutsche Kinderanimateurin und |155| einen völlig fertigen, fetthaarigen Endzwanziger unbestimmbarer Herkunft, der offenbar für alle technischen Belange zuständig
     war und es nicht sehr mochte, zum vermutlich x-ten Mal im Rahmen des Gästeprogramms auf der Bühne stehen zu müssen, weil es
     weniger auftrittsbereite Gäste als zu besetzende Rollen gab. Wobei – Rollen war eine maßlose Übertreibung. Das Programm bestand
     aus zehn uralten, völlig ausgenudelten und unlustigen Sketchen, für die wir in nach dem Muff der vergangenen Jahrzehnte riechende
     Kostüme zu schlüpfen hatten. Ninas Prognose erwies sich als richtig: Für eine der beiden Nummern, für die ich gecastet wurde,
     musste ich Frauenkleider anziehen. Der Sketch bestand darin, Jerry Lewis’ angestaubte Luftschreibmaschinen-Nummer im Sekretärinnen-Outfit
     nachzuahmen; die Hauptaufgabe war, halbwegs synchron zur Musik zu bleiben und gleichzeitig ein möglichst lustiges Gesicht
     zu machen. Die zweite Rolle war da sehr viel komplizierter: Im Charlie-Chaplin-Kostüm sollte ich auf die Bühne stolpern, auf
     der eine Geldbörse lag, und versuchen, diese aufzuheben, sie aber in der gleichen Bewegung immer wieder mit dem Fuß von mir
     wegschubsen. Und das geschlagene drei Minuten lang. Ich geriet während der Proben mächtig ins Schwitzen, aber die anderen
     Gäste lachten tatsächlich, wobei für mich nicht auszumachen war, ob es daran lag, wie gut ich die Nummer hinbekam oder wie
     dämlich ich mich anstellte. Als ich anschließend aus der viel zu kleinen, hoffnungslos zugemüllten Garderobe ins Auditorium
     zurückkehrte, diskutierte Jacky heftig mit der Shi-Tsu-Witwe und einem älteren Marokkaner. Es war der Hotelmanager.
    Der überforderte Chefanimateur tat mir leid, also versuchte ich mein Möglichstes, um den Unfallcharakter der Situation hervorzuheben.
     Das Problem bestand in der Hauptsache darin, dass er uns alleine gelassen hatte, und obwohl ich dem Manager, der nur sehr
     gebrochenes Englisch sprach, deutlich zu machen versuchte, dass der Unfall auch im Beisein von Jacky passiert wäre, schiss
     er |156| seinen Chefanimateur ordentlich zusammen. Das Gespräch endete mit einem sehr lauten und äußerst aggressiven Schlagabtausch
     auf Arabisch, wobei es Momente gab, in denen ich um unser aller Leben bangte. Wäre der Manager bewaffnet gewesen, hätte es
     – seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen – ein Massaker gegeben. Erst als Jacky eine sehr unterwürfige Haltung einnahm
     und nur noch schweigend nickte, während sein Chef weiter lamentierte, entspannte sich die Situation.
    »Er hat mir die Hälfte meines Monatsgehalts gestrichen, und ich muss der Frau den Hund bezahlen«, erzählte er mir unter dem
     Siegel der Verschwiegenheit, als wir anschließend bei einem Bier am Pool saßen. Es hatte aufgeklart und war inzwischen sogar
     noch heißer als an den Tagen zuvor. Die wenigen Gäste am Pool bewegten sich kaum. Zwei jüngere Frauen lasen – eine in »Harry
     Potter« und die andere irgendeine Folge der nicht enden wollenden »Wanderhure«-Serie von Iny Lorentz.
    »Tut mir echt leid. Ich geb dir nachher etwas Geld, schließlich habe ich das Viech erschossen.«
    Er

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