Pauschaltourist
Sachsenengel-Nacht mit einem Fremden zu teilen. Mit
seinen getreidegelben Fingern notierte er, während ich sprach, und er zuckte an keiner Stelle auch nur mit der Wimper. Okay,
sagte ich mir, Bullen sind qua Amt lebenserfahren und deshalb kaum zu beeindrucken.
»Wie ich schon am Telefon erklärte, ist das Bundeskriminalamt |241| zuständig«, führte er anschließend aus. »Es ist schlecht, dass Sie die Herrschaften nicht vor Ort angezeigt haben.«
Ich zog die Erklärung hervor, die mir Señor Teodoro Martinez vor einer gefühlten Ewigkeit zur Unterschrift bereitgelegt hatte.
»Vielleicht hilft das ein wenig. Als Gegenleistung sollte ich darauf verzichten, Anzeige zu erstatten.« Ich verschwieg, dass
ich es sowieso nicht getan hätte, weil mein Vertrauen in die canarische Polizei geringer war als dasjenige in marokkanische
Strandhändler. Womit ich Letztgenannten unrecht tat. Scheiße, Marokko. War das wirklich erst neun Tage her?
Spränger studierte das Papier und nickte dabei langsam. »Stört es Sie?«, fragte er zwischendrin, aber die Zigarette qualmte
schon, bevor ich antworten konnte. Nach Frau Dr. Jüterborgers These stünden die schlechten Jahre am Ende für ihn wohl unmittelbar
bevor. Zwischen den Zügen hustete er wie ein Rallyefahrer, der gerade die Wüste durchquert hat, und sein Gesicht sah insgesamt
sehr ungesund aus.
Anschließend erklärte er mir, dass er, dem BKA zuarbeitend (das kam mit gewissem Stolz), inzwischen herausgefunden hatte,
dass weit mehr als nur das Diebesgut aus meiner Begegnung zur Auktion angeboten wurde. Glücklicherweise – er schenkte mir
einen vorwurfsvollen, ansonsten emotionslosen Blick – hätten andere Leute den Weg zur spanischen Polizei gewählt, die in dieser
Sache mit dem BKA kooperieren würde. Toll.
»Wir werden die fraglichen Personen ausfindig machen«, schloss er das Gespräch. »Das ist keine Kleinigkeit. Wir haben Ihnen
dafür zu danken, dass Sie diese Verbindung aufgedeckt haben.« Sein ledriges Gesicht, das von einem zerrupften, mehrfarbigen
Oberlippenbart beherrscht wurde, blieb ausdruckslos. »Vermutlich wird es dann eine Gegenüberstellung geben. Ich werde Sie
beizeiten informieren.« Der Gedanke daran, Janet wiederzusehen – wenn auch nur durch eine einseitig transparente Spiegelwand
–, löste gemischte Gefühle in mir aus. Diese wurden sogleich von der Erkenntnis |242| verdrängt, dass ein deutscher Reisejournalist soeben dabei half, international gesuchte Verbrecher zu fassen. Ich schwor mir,
Ralf Leitmann als Allerletztem von dieser Sache zu erzählen. Einmal BILD war mir genug.
Auf dem Heimweg ging ich bei Steini vorbei, doch mein Klingeln wurde nicht erhört. Richtig erstaunlich aber fand ich, dass
am entsprechenden Klingelschild kein Name mehr stand.
|243| 2.
Dieses Mal hatten wir uns drei Stunden vor Abflug am Check-in verabredet, aber ich war noch früher am Flughafen, weil mein
Taxifahrer bei schreiend lautem Hiphop wie ein total Bekloppter durch die Stadt gerast war – Nina hätte sich mit diesem Mann
ein Rennen mit ungewissem Ausgang liefern können. Dabei achtete der Fahrer wenig auf sein Gefährt, das quietschte, knirschte
und knarrte, als wären Gremlins dabei, es von innen aufzufressen. Als ich zehn Minuten vor der Zeit den Koffer aus dem Auto
wuchtete, stand mein Adrenalinpegel kurz unter dem Innenohr. Der junge Mann, sicher ein Logie-Student (ich tippte auf Sozio),
war überrascht, dass ich ihm kein Trinkgeld gab.
»War was nicht okay?«
»Ihr Jungs solltet langsam mal begreifen, dass dies hier der Planet Erde ist«, antwortete ich kryptisch und zog lächelnd von
dannen.
Als Nina in Begleitung ihres schwarzen Pudels eintraf, freute ich mich über beide, und Bimbo begrüßte mich mit einem kurzen
Kläffen. Meine Kollegin war inzwischen sehr braun, wobei die künstliche Betoastung kaum noch durchschimmerte. Trotzdem schienen
an diesem frühen Morgen (kurz vor vier) sowohl ihre Flugängste als auch die allgemeine Unzufriedenheit wieder Oberwasser zu
haben. Sie sah sich mürrisch und nervös um. Unser Check-in war noch nicht geöffnet, und die Schlange vor uns bestand aus fünf
senilen Bettflüchtern in sackartigen Klamotten. Es roch nach Bepanthen und Gebissreiniger. Wir schwiegen uns an, lauschten
auf die unverständlichen Ansagen und warteten. Es wurde halb fünf, dann fünf, schließlich viertel sechs. Die Länge der Schlange
veränderte sich nicht, weder vor noch
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