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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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sich Urlaub genommen. Wann und ob er überhaupt zurückkäme, wusste sie nicht. Ich schrieb ihm eine fröhlichgiftige
     Postkarte, die von meiner Mobilfunknummer beherrscht wurde.
    Zu guter Letzt stellte ich verblüfft fest, dass ich mit dem Rauchen aufgehört hatte. Als ich einen Aschenbecher aus dem Spülbecken
     nahm und zum Trocknen abstellte, fiel mir auf, dass ich meine letzten Zigaretten in der Höllennacht von Arenal geraucht hatte,
     und zwar meiner Erinnerung nach gleich mehrere Schachteln. Danach hatte ich offenbar einfach
vergessen
, wieder zu rauchen. Nicht, dass mich dieses Laster mehr als nötig gestört hatte – ich hielt es in dieser Hinsicht wie Frau
     Dr. Jüterborger. Aber ich verspürte im Moment nicht das geringste Bedürfnis, und während der Tage auf Mallorca, die unterm
     Strich zu den bisher besten unserer Tour gehört hatten, war es mir nicht anders gegangen. Ganz erstaunlich. Vielleicht sollte
     ich mir das als Idee für ein Ratgeberbuch notieren: Saufen und rauchen Sie, bis nix mehr geht, dann |239| noch ein
bisschen
weiter, lassen Sie sich anschließend aufs Auge hauen und fahren Sie danach in ein Familienclubhotel. Wirkt garantiert – die
     Nikolas-Sender-Methode.
    Ein würdiger Abschluss des Trips war der Abschied von Adel-Oliver gewesen, der tatsächlich morgens um vier (was für eine vollkommen
     idiotische Abholzeit!) vor dem Hotel stand, wo außer ihm bereits ein Bus und zwanzig müde, nörgelnde Touristen auf uns warteten,
     die um ihre Gepäckablagefächer fürchteten, weil wir den Zeitplan um vier Minuten verzögerten – es war Nina, die zu spät kam.
    Von Pappe reichte mir eine Visitenkarte aus gebürstetem Edelstahl, die ich vermutlich noch in den Koffer würde stopfen müssen,
     weil derlei seit Nine-Eleven nicht mehr an Bord von Flugzeugen geduldet wurde (»Durchgedrehte Reisejournalisten entführen
     Airbus mit Visitenkarte!«). Auf der Karte standen nur sein Name und eine Telefonnummer.
    »Mein
Freund
, du kannst mit allem zu mir kommen«, sagte er, und seine Rührung sprang auf mich über, vor allem, als er mich verhältnismäßig
     fest umarmte. In mein sich ankündigendes Augenpipi ergänzte er: »Menschen mit Zivilcourage haben mehr Wert als alles, was
     man hiermit kaufen kann.« Dabei wies er auf die
Centurion
in seiner Geldbörse, die er wegen der Stahlkartenübergabe noch immer in der Hand hielt. Vermutlich war er der einzige Mensch,
     den ich kannte, der dieses legendäre Zahlungsmittel sein Eigen nannte.
    Als ich schon fast im Bus saß, legte er mir eine Hand auf die Schulter. »Ich
weiß
, dass Sie nicht kommen werden«, sagte er bedrückt. »Aber was sollte ich sonst tun?«
    Er winkte dem Bus auf die Art hinterher, wie britische Königinnen dem Volk zuwinken, aber mich rührte die Geste. Natürlich
     wusste ich zu diesem Zeitpunkt alles über ihn, was das Netz und die Archive des Verlags hergaben. Einzelkind und damit letzter
     Erbe einer adligen Dynastie, die mit Bürobedarf reich geworden |240| war. Hielt sich vom üblichen Promi- und Reichenzirkus fern. Halbgeheimer Wohltäter diverser Naturschutzorganisationen. Ehemals
     glücklicher Vater von Zwillingen, deren Geburt beinahe zum Desaster geraten war. Verlassen von einer Frau, die nach dem, was
     man herausfinden konnte, eine echte Liebesheirat gewesen war.
    » Das
wäre einer für dich«, sagte ich zu Nina, als wir vom Parkplatz fuhren.
    Zu meiner Überraschung grinste sie. »So ein Weichei? Nein danke!«
     
    Hauptkommissar Spränger begrüßte mich in einem schmucklosen und sehr klischeehaften Amtszimmer. Als Erstes nahm ich seinen
     PC zur Kenntnis, ein Modell, das ich auch mal besessen hatte, im vorigen Jahrtausend. Kein Wunder, dass er so lange gebraucht
     hatte, um sich bei eBay einzuloggen. Das war aber auch schon der einzige bemerkenswerte Einrichtungsgegenstand – sah man von
     einem gewaltigen Aschenbecher ab, der gut ein Zehntel der Schreibtischoberfläche einnahm und in dem sich ein kleiner Vulkan
     aus Zigarettenkippen türmte. Daneben lagen ein Dutzend Schachteln HB und zwei Zippos.
    »Ist das hier eigentlich noch erlaubt?«, fragte ich und nickte in Richtung Raucherutensilien.
    Er verzog keine Miene und beantwortete meine Frage nicht. »Setzen Sie sich«, sagte er stattdessen.
    Ich erzählte ihm, was geschehen war, und da ich mit dem Mann ansonsten nichts zu tun hatte, sparte ich nur wenige Details
     aus – ganz im Gegenteil machte es mir sogar Spaß, die Erinnerung an die

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