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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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hauptsächlich unerfreulich – wobei das Wort »Gespräch« eigentlich unzutreffend war, denn es
     ging in erster Linie um verschiedensprachiges Brüllen und wilde Gestikuliererei in diverse Himmelsrichtungen, wobei letztlich
     alle vier vorgeschlagen wurden, obwohl das Meer breit und tintenblau direkt vor uns lag. Und unser Scheiß-Zielort lag schließlich
     am Meer, und zwar an diesem. Ich hielt dem Mann schließlich die Vouchers und einen Fünfzig-Euro-Schein vor die Nase. Er ignorierte
     Erstere, griff nach dem Geld und fuhr dann wort- und gestenlos in die richtige Richtung. Keine halbe Stunde später waren wir
     vor Ort. Erstmals in meinem Leben wünschte ich mir, Geldfälscher zu sein.
    »Das ist absurd«, sagte Nina, als wir vor dem Hotel standen. Sie hatte recht. Gegen das hier war Maspalomas ein Villenbezirk.
     Alles, was wir sahen, waren weiß gestrichene Hotelbauten, die man massenweise aus einem Urhotel geklont hatte. Wir brachten
     die Koffer in die Gefriertruhe, die hier als Lobby fungierte, und gingen um das Gebäude herum zum Strand.
    »Große Scheiße!«, rief meine
Begleitung
, als wir im Sand standen.
    Ich konnte nur nicken. Selbst El Arenal wirkte hiergegen wie ein erbärmlicher gescheiterter Versuch, eine Bucht so richtig
     und nach allen Regeln der Kunst vollkommen zu verschandeln. Aber immerhin hatte das hier eine ordnende Sauberkeit, eine sterile
     Art von Muster. Es gab keine Glockentürme, Bretterbuden, Moscheen, beschrifteten Hügel, Ballermänner oder dergleichen, sondern
     ausschließlich diese
Bauten
. Als wäre ein minderbegabter Bauhaus-Architekt kurz vor seinem Tod auf einen sehr bösen Trip geraten.
    |247| In den Zimmern setzte sich das Bild fort. Sie waren auf systematische Art in Ordnung (wie Berliner U-Bahn-Züge, zum Beispiel),
     nämlich zweckmäßig, mittelgroß und sauber, aber mit meiner Vermutung, dass ein im zweiten Stock dieses Hotels ausgesetzter
     Urlauber nicht wüsste, ob er sich in seiner oder irgendeiner anderen Unterkunft befände, lag ich vermutlich goldrichtig. Davon
     abgesehen war es nicht sehr viel heimeliger als in der Berliner U-Bahn. Ich ging auf die Balkonminiatur und sah nach links,
     rechts, links und wieder rechts, und wenn ich das noch eine halbe Stunde lang getan hätte, wäre ich depressiv geworden. Immerhin
     war die Aussicht nach vorne, in Richtung Meer, absolut feudal. Wenn ich mich weit genug über die Balkonbrüstung beugte und
     meine Hände wie Scheuklappen an die Schläfen legte, blieben wenigstens ein endloser hellbrauner Strand und die kobaltige Oberfläche
     des Atlantiks.
    Was sich jenseits der Promenade auf der Landinnenseite des Hotels abspielte, glich einer Light-Version des Arenal-Infernos.
     Mit nur einem Blick erfasste ich Werbeschilder für die allermeisten bekannteren deutschen Biersorten. Es war zwar ruhiger
     als am Platja de Palma, hatte aber ansonsten eine sehr ähnliche Qualität. Die Grüppchen, die die Promenade und ihre Nebenstraßen
     beschlurften, glichen jenen, die ich an allen drei? vier? sieben? bisherigen Locations beobachtet hatte. Man trug beach-casual,
     German style (SSSS), sprach jeden, der kein Tourist war, gnadenlos auf Deutsch an, und die Speisekarten der Restaurants gab
     es dreisprachig, nur nicht auf Portugiesisch. Ohne das Meer glich der Ort einer aufgeräumten Frühneunziger-Version irgendeiner
     DDR-Trabantenstadt bei exzellentem Wetter.
    Nach der kurzen Orientierung ging ich ins Hotel zurück, suchte und fand den Pool. Unsere Herberge gehörte zu den kleineren,
     weshalb das überschaubare Schwimmbecken – auf Strandniveau und zur Meerseite hin – auch nur von zwei Dutzend Liegen umgeben
     war, davon derzeit, es ging auf den Nachmittag zu, die Hälfte belegt und die andere frei. An einem oberschenkelhohen |248| Mäuerchen zum Strand hin hingen in Zwei-Meter-Abständen laminierte A4-Bögen, auf denen »Liegen reserviern, verbohten!« stand,
     die drei Schreibfehler wiederholten sich, darunter gab es den Spruch in ähnlich verstümmelten englischen und französischen
     Fassungen. Ich fragte mich, welche Strafe Missetätern wohl auferlegt würde. Hotelverweis? Abschiebung? Anprangerfotos auf
     Flickr? Urin im Fassbier oder, vielleicht passender,
Vinho Verde
? Aber Personal, das Verfehlungen würde ahnden können, war weit und breit nicht in Sicht, und eine Poolbar gab es auf diesem
     sehr begrenzten Raum auch nicht. Trotzdem standen neben Nina bereits zwei Flaschen »Sagres«-Bier. Kollegin Weltreisen

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