Pauschaltourist
wegorientieren, aber die beiden Möbelpacker in Armani-Anzügen,
die |258| plötzlich hinter mir auftauchten, waren fixer. Es dauerte allerdings noch fünf Minuten, bis sich die Duftwolke aufgelöst hatte.
In dieser Zeit verlor ich vierzig Euro, also verabschiedete ich mich. Die alten Herrschaften nickten freundlich.
Auch vor Nina lag mehr Geld, als sie anfangs eingetauscht hatte, aber der Grund war, dass sie in der Zwischenzeit noch zwei
Mal an der Kasse angestanden hatte. Ger schwitzte hinter ihr und konnte den Blick nicht mehr von den Anzeigen nehmen. Am Nachbartisch
war sechs Mal nacheinander Rot gefallen. Und jetzt wieder. Ich konnte das Klackern der Chips hören, mit denen der Holländer
nervös in seiner Hosentasche spielte. Nicky küsste ihn auf den Halsansatz – höher kam sie nicht – und flüsterte etwas dabei,
dann ging sie zur Toilette. Das war sein Signal.
Wie ein Roboter hielt er auf den Sieben-Mal-Rot-Tisch zu, zog zwei viereckige Chips aus der Tasche und setzte sie in das »Rien
ne va plus« des Spielleiters auf Schwarz. Ich hätte ihm erklären können, dass sich voneinander unabhängige Ereignisse nicht
gegenseitig beeinflussten, genau
deshalb
nannte man sie so, aber vermutlich hätte ihn nicht einmal ein Erdbeben von seinem Vorhaben abgehalten. Das Versprechen der
Fünfzig-Fünfzig-Chance (ja, es gab noch die Null) einlösend, kam abermals Rot. Gers rechte Hand zuckte in Richtung der tausend
Euro, die er gerade verschenkt hatte, aber der Rechen des Croupiers war schneller. Als sich der werdende Vater restlos erschüttert
zu mir umdrehte, war der Sonnenbrand vollständig aus seinem Gesicht gewichen.
»Warum tust du so einen Schwachsinn?«, fragte ich ärgerlich. Nicky kam hinzu und wollte wissen, was passiert sei. Und danach
erlebte ich meinen ersten handfesten Ehekrach auf Niederländisch. Er dauerte aber nur eine Minute, weil die Armani-Packer
dadurch für Ruhe sorgten, dass sie das trotzdem lautstark weiter streitende Paar freundlich, aber bestimmt aus dem Casino
schoben.
|259| Nina wollte eigentlich noch nicht gehen, aber als ich ihr vom Schicksal unserer holländischen Freunde berichtete, schubste
sie ihren letzten Fünfziger auf die Tischmitte, stand auf und machte Anstalten, mit mir zur Tür zu gehen. »Lady«, rief jemand
hinter uns. »Misses. Lady!« Wir drehten uns um. Ninas ehemaliger Nachbar hatte sich erhoben und wies aufgeregt auf den Tisch:
»You have just won.« »Douze, pair, rouge«, kommentierte der Croupier.
Nach Abzug ihres Einsatzes verblieben immer noch mehr als dreizehnhundert Euro Reingewinn. Natürlich wollte sie mich überreden,
mit genau dem gleichen »System« weiteres Geld zu erspielen, aber ich zog sie energisch zum Ausgang. Als wir in der frühlingshaft
kühlen Meeresluft standen, zählte sie grinsend Scheine. Ich entdeckte Nicky und Ger auf dem Parkplatz, die beiden stritten
noch immer. Ninas Blick folgte meinem, dann sah sie auf die Scheine und seufzte. »Wie gewonnen …«
Als wir vor den beiden standen, bemerkte ich im Augenwinkel noch ein Paar. Meine Blasen-auf-Toilett-Bekanntschaft näherte
sich in Begleitung eines Mannes, der zwar deutlich schmaler war als die Casino-Rausschmeißer, nichtsdestotrotz aber schon
von weitem sehr viel gefährlicher wirkte. Ich sah mich hektisch um, aber die beiden hatten den Casinoeingang erreicht, wodurch
sie uns den Fluchtweg dorthin abschnitten, und jetzt erblickte mich die Prostituierte. Sie hob den rechten Arm und wies anklagend
in unsere Richtung. Ihr
Mack
zog die Schultern hoch.
»Es gibt Ärger«, zischte ich. Das Gespräch zwischen Ger und Nicky erstarb.
»Noch mehr Ärger?«, fragte Nina grinsend.
»Das ist kein Spaß. Da kommt der Zuhälter einer Nutte, die ich vorhin habe aus dem Casino schmeißen lassen.«
Vier Augenpaare beobachteten, wie sich der Mann – aus der Entfernung hielt ich ihn für einen Osteuropäer – in einer Gangart
näherte, die auf einer Kinoleinwand für Lacher gesorgt hätte. Mir aber ging ganz im Gegenteil die Muffe, so richtig, aber
ich |260| sah auch, dass sich in Gers Gesicht ein Grinsen ausbreitete. »Keine Schorge«, flüsterte er in der Freundschaftssprache. Dann
spannte er seinen schlanken Oberkörper an und trat vor uns. Fehlte nur noch, dass er die Fäuste auf Abwehrstellung hob. Ein
Kampf unter Gentlemen, diese Kategorie. Lass es uns austragen, nur du und ich, mit den blanken Fäusten. Ich war versucht,
mich nach
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