Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
Vom Netzwerk:
und gleichzeitig schleppten sie ihr Erspartes in die Lottoannahmestellen, um auf eine mehr als hunderttausend Mal geringere
     Chance zu wetten. Menschen sind das größte Rätsel der Menschheit.
    Mit den Bekleidungsvorschriften nahm man es hier nicht so genau, wenigstens was. Da es am Abend kühlen Wind vom Meer gegeben
     hatte, trug ich ohnehin ein Jackett über meinem schwarzen, logofreien T-Shirt, womit ich zu den besser gekleideten Männern |256| hier gehörte. Immerhin saß im Spielsaal niemand in Shorts und Flip-Flops.
    Ger und Nicky sahen Nina dabei zu, wie sie ein paar Pipperlinge beim Setzen auf Zahlen verlor, aber Ger beobachtete außerdem
     aufmerksam die Verlaufsanzeigen an allen Tischen, die Farbe und Wert der letzten Spiele wiedergaben. Da ich hinter ihm an
     der Wechselkasse gestanden hatte, um für fünfzig Euro – keinen Cent mehr! – Spielgeld zu holen, wusste ich, dass er für einen
     erstaunlich hohen Betrag Jetons in der Hosentasche trug. Beim Eintauschen hatte er sich ständig nach seiner Frau umgesehen,
     aber die plapperte in guter Entfernung auf Nina ein. Dafür erntete er von mir heftig hochgezogene Augenbrauen, die er mit
     einem verschämten Schulterzucken beantwortete.
    Ich schlenderte durch die Reihen und blieb an einem Black-Jack-Tisch hängen. Wenn man schon um Geld spielen wollte und kein
     Flipper und keine Tischtennisplatte in der Nähe waren, dann so etwas. Wenn man pfiffig spielte und auf die Nachbarn achtete,
     waren die Verlustchancen deutlich geringer als beim Roulette oder an den münzenverschlingenden Tennisarmgeneratoren. Zwei
     ältere Damen und ein Greis, alle drei in Abendkleidung, taten das in Vollendung. Sie stoppten unisono das Kartenziehen, wenn
     die Bank mit der ersten Spielkarte einen Wert zwischen zwei und sechs hatte, da der Croupier dann mindestens noch zwei Karten
     würde nehmen müssen – und die Möglichkeit wahrscheinlich war, dass er die einundzwanzig überschreiten würde. Die linke der
     beiden alten Mädchen, deren Haare violett schillerten, holte außerdem drei Black Jack nacheinander. Schließlich setzte ich
     mich und legte einen Fünf-Euro-Chip ab – die Mindestsumme. Meine Mitspieler begrüßten mich mit einem milden Lächeln, ansonsten
     schwiegen sie wie bisher auch.
    Ich erwies mich als adäquater Partner, splittete zweimal sehr schlau und verdoppelte im richtigen Moment. Nach zwanzig Minuten
     besaß ich hundertfünfzig Euro, während die Senioren bereits |257| im vierstelligen Bereich angelangt waren. Dann plötzlich verschlug es mir wortwörtlich den Atem. Ich wurde von einer Duftwolke
     eingehüllt, die so intensiv war, dass ich beinahe husten musste. Jemand hatte sämtliche weltweit verfügbaren Parfum-Ingredienzien
     vermischt und ein daraus gewonnenes Konzentrat eimerweise über eine Frau gekippt: nämlich jene Afrikanerin, die soeben neben
     mir Platz genommen hatte. Vom alle Sinne benebelnden Duft abgesehen und mal die Tatsache vernachlässigt, dass sie etwas überschminkt
     war, sah die vielleicht zwanzigjährige Frau vortrefflich aus – gertenschlank, fein geschnittene Züge, und der weite Ausschnitt
     ihres Kleides offenbarte dem interessierten Betrachter einen vielversprechenden Brustansatz. Sie strahlte mich an, ihre Lippen
     glänzten von einer Monatsproduktion Gloss. Ich nickte und konzentrierte mich wieder auf das Spiel. Der Geber beobachtete meine
     neue Nachbarin mit skeptischen Blicken. Beim Stand von zweihundertdreißig Euro hatte ich mit einem Mal eine Hand auf dem Oberschenkel.
     Ich war so verdattert, dass ich noch eine Karte verlangte, obwohl schon fünfzehn Punkte vor mir lagen. Als eine sechs dazukam,
     atmete ich tief durch, was dazu führte, dass mir jetzt fast die Sinne schwanden. Dann schob ich die Hand von meinem Oberschenkel,
     ohne die Frau anzusehen.
    Zwei Minuten später wurde der Geruch abermals intensiver. »Blasen auf Toilett, nur zwandzisch«, hauchte mir die schwarze Frau
     ins Ohr, und dann schob sie doch tatsächlich die Zunge hinterher. Ich sprang auf und warf dabei den Jetonstapel vor mir um.
     Ein entrüstetes »Hast du sie noch alle?« entfuhr mir. Die Nutte lächelte nur.
    Der Geber fragte mich auf Englisch, ob irgendwas wäre. Ich antwortete vorsichtig, dass mir die Dame unzweideutige Angebote
     gemacht hätte, wogegen prinzipiell nichts einzuwenden wäre, aber es würde mich beim Spielen stören. Danach ging alles ziemlich
     schnell. Meine dunkle Freundin stand auf und wollte sich vom Tisch

Weitere Kostenlose Bücher