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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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Barbara(rarara)
. Ausgerechnet Heino.
     
    Als ich erwachte, hatte ich einen bösen Mehrfachkater. Ich torkelte ins Bad, mied den Blick in den Spiegel, zottelte mühevoll
     eine Aspirin-plus-C aus dem Kulturbeutel und schluckte sie einfach hinunter, ohne Wasser, denn ich besaß keine Flasche, es
     gab keine Minibar, und ganz so düselig, Leitungswasser zu trinken, war ich dann doch nicht. Wieder auf dem Bett liegend, überkam
     mich die |266| Erinnerung an das, was ich am Vortag erfahren hatte. Glücklicherweise schützte mich die Nachrauschlähmung meines Hirns davor,
     sofort in eine Depression zu verfallen. Ich schloss die Augen und schlief vom Blubbergeräusch meines eigenen Magens wieder
     ein. Kurz darauf hob es mich ruckartig aus den Federn, und ich schaffte es gerade noch bis zum Klo, um meinen leise zischelnden
     Mageninhalt der Schüssel zu übergeben.
    Das dritte Erwachen fiel schon deutlich sanfter aus, wenigstens, was den rein körperlichen Anteil betraf – vom ungeheuren
     Brand abgesehen. Es ging auf ein Uhr mittags zu. Ich duschte und stolperte auf dem Rückweg über mein Mobiltelefon, das ich
     gestern, stimmt ja, durchs Zimmer geschleudert hatte. Es war hin, gab keinen Pieps mehr von sich. Als ich die SIM-Karte entfernt
     hatte und es dem Mülleimer übergab, prügelte die Erinnerung an das Telefonat auf mich ein, als würde ich es in diesem Augenblick
     wiederholen.
     
    Nina saß mit einem älteren Herrn am Tisch, der mir entfernt bekannt vorkam. Ich winkte ihr kurz zu und schenkte mir aus einer
     Thermoskanne Kaffee ein, der brikettschwarz war und eine bemerkenswert niedrige Fließgeschwindigkeit hatte, aber vielleicht
     war auch nur meine Wahrnehmung noch leicht unscharf. Außerdem schnappte ich mir vier Viertelliterflaschen stilles Mineralwasser,
     von denen ich zwei schon auf dem Weg zum Tisch leerte.
    Hugo Marques hatte in seiner anachronistisch-distinguierten Art viel mit Oliver von Papening gemein, und dem überaus höflichen,
     sehr gewählt sprechenden Männchen schien die Sache vom Vorabend viel peinlicher zu sein als uns. Wobei –
mir
war sie überhaupt nicht peinlich (noch nicht). Nachdem er sich mir mit einer Verbeugung vorgestellt hatte, wiederholte der
     ältere Herr, was er Nina wohl schon erklärt hatte – nämlich dass sein Hotel (es erschloss sich mir nicht, ob er nun Inhaber
     oder Manager war) nicht zu jenen gehören würde, in denen man derlei erwünschte, und er |267| erbat mehr Rücksicht. Das war bereits das zweite Mal, dass ich miterlebte, wie Verantwortliche dem Treiben der Touris wenigstens
     gewisse Grenzen zu setzen versuchten – das erste Mal hatte uns den Wechsel in Jackys Miefclub beschert, wo ich einen Hund
     erschossen hatte. Ich beugte mich zur Seite, Bimbo lag hastig atmend unterm Tisch und warf mir einen treudoofen Blick zu.
    Meine Kollegin war amüsiert, schien den Mann, der etwas von einer Sechzig-Prozent-Verkleinerung hatte, aber ernst zu nehmen.
     Wir versprachen, uns in Zukunft deutlich besser zu benehmen, und dann erzählte Hugo Marques einiges von der Situation des
     Tourismus in Portugal. Kurz vor dem schon seit Ewigkeiten geltenden Baustopp waren tausende Rohbauten in die Landschaft geworfen
     worden, die dann nicht vom Verbot betroffen wären, und ein Gutteil dieser Gebäude befand sich seitdem – stetig verfallend
     – in Warteposition. Der Schmerz, den Marques empfand, wenn er von der Verschandelung seiner geliebten Region sprach, stand
     ihm im Gesicht geschrieben. Es wurde auch deutlich, dass er Vilamoura und die anderen Chaosgebiete an der Küste als nie wieder
     gutzumachenden Fehler empfand, aber er verzichtete auf eine Erklärung dafür, warum zum Geier er dann hier ein Hotel leitete.
     Danach schwatzte er vom Barlavento, der windzugewandten Seite der Algarve, auf der wir uns befänden, und vom Erdbeben im achtzehnten
     Jahrhundert, das so gut wie alle Gebäude vernichtet hatte. Der ältliche Manager strahlte eine fröhliche Traurigkeit aus, eine
     optimistische Melancholie, und er nahm uns zum Schluss das Versprechen ab, auch die schöneren Plätze aufzusuchen und die Küste
     nicht nach dem zu beurteilen, was hier zu sehen war. Wir nickten höflich, dann wollte der kleine Kerl verschwinden, sich mehrfach
     verbeugend.
    »Äh, ein Wort noch«, unterbrach Nina den Versuch. »Sie sollten den Menschen, der sich in Ihrer Küche als Koch ausgibt, erschießen.
     Oder so.«
    Er verharrte und zeigte uns ein schmales Lächeln. »Sie sind mit

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